Mit dem überarbeiteten EEG erhalten Betreiber von Windanlagen die lang ersehnte Möglichkeit, Kommunen vor Ort finanziell am Umsatz zu beteiligen. Die Betreiber dürfen nun den Gemeinden im Umkreis von 2,5 - Kilometern eine einseitige Zuwendung in Höhe von 0,2 Cent pro Kilowattstunde zukommen lassen. Diese Beträge können sie sich im Folgejahr vom Netzbetreiber erstatten lassen. Die Regelung gilt für Anlagen, die ab dem 01.01.2021 in Betrieb gehen.

Kommunen können ab dem ersten Tag profitieren

Die freiwillige Abgabe ersetzt eine entsprechende Verpflichtung im Referentenentwurf. Projektierer erwarten jedoch, dass sie bald zum Standard wird. „Die Regelung ist so ausgestaltet, dass die Betreiber den Kommunen in der Regel eine Beteiligung anbieten werden – zumal sie ja die Kosten auch noch erstattet bekommen“, sagt Alexander Koffka, Sprecher des Wiesbadener Projektierers ABO Wind. Das könnte auch in der lokalen Politik bald ankommen und so die gewünschten Effekte zeigen: „Ich erwarte, dass die Motivation der Kommunen steigt, weitere Flächen auszuweisen“, ergänzt Koffka.

„Die Kommunen können so ab dem ersten Tag des Betriebs einer neuen Anlage profitieren, das ist ein großer Fortschritt“, sagt Christoph Markl-Meider, Sprecher des WindenergieProjektierers Ostwind. „Gerade für Kommunen in strukturschwächeren Regionen ist das eine Einnahmequelle, die schnell interessante Größen erreicht. Moderne Anlagen erzielen 10 Millionen Kilowattstunden und mehr im Jahr. Dies multipliziert mit 0,2 Cent, ergibt jährlich pro Anlage rund 20.000 Euro. Das sind Summen, mit denen eine Kommune wirklich etwas anfangen kann.“

Bisher hielt die rechtliche Unsicherheit Kommunen davon ab, solche Zuwendungen entgegenzunehmen – sie hätten sich im schlimmsten Fall damit strafbar gemacht. Diese Hürde ist mit dem EEG 2021 aber ausgeräumt. „Wir haben nun eine ganz neue Geschäftsgrundlage, weil wir den Standortkommunen mit der Nutzung der Windkraft vor Ort auch ein konkretes Angebot machen können“, sagt Markl-Meider. Nach dem neuen EEG sind Vereinbarungen über Zuwendungen an Kommunen nun explizit vom Geltungsbereich der §§ 331 bis 334 des Strafgesetzbuches ausgenommen. Die im Koalitionsvertrag vorgesehene Stärkung von Bürgerbeteiligungen kommt im EEG 2021 jedoch nicht vor. Verständlich, findet ABO Wind-Sprecher Koffka: „Das wäre ein bürokratisches Monster geworden. Ich hätte es schwierig gefunden, wenn man die Bürgerbeteiligung mit der von Kommunen vermischt hätte, etwa indem man günstige Bürgerstromtarife mit der kommunalen Beteiligung gegenrechnet.“

Weiterförderung von Ü20-Anlagen: Durchatmen für das Repowering?

Quasi in letzter Minute wurde die befristete Weiterförderung für Altanlagen jenseits der 20 Förderjahre in das EEG aufgenommen. 2020 und 2021 fallen viele Windanlagen erstmals aus der EEG-Förderung, ein Großteil von ihnen drohte, auf einen Schlag unwirtschaftlich zu werden – zum „Hobby Windenergie“, wie es die Rechtsanwältin Martina Beese von der Kanzlei Engemann & Partner ausdrückt. Die Marktpreise für Windstrom waren in den letzten Jahren so stark gesunken, dass ein wirtschaftlicher Betrieb deutlich schwieriger geworden ist. Rund 5.000 Windräder mit insgesamt 3.700 MW Leistung hätten schlimmstenfalls stillgelegt werden müssen. Um das zu verhindern, wurde in das EEG 2021 (§ 23b) für Windräder ohne sonstige Direktvermarktung eine gestaffelte Anschlussförderung aufgenommen: Bis zum 01.07.2021 erhalten Betreiber von Ü20-Anlagen zusätzlich zum Monatsmarktwerkt 1 Cent pro Kilowattstunde. Von Juli bis Anfang Oktober sinkt dieser Zuschuss auf 0,5 Ct/kWh und ab dem 1. Oktober bis Ende des Jahres auf 0,25 Ct/kWh. Hiervon werden 0,4 Cent pro Kilowattstunde für die Vermarktungskosten abgezogen.
Für das Jahr 2022 können einige Betreiber dann auf eine weitere Übergangslösung hoffen: Dafür müssen sie an einer Ausschreibung teilnehmen. Das Volumen der Ausschreibung ist auf 1.500 MW im Jahr 2021 und 1.000 MW im Jahr 2022 begrenzt. Die beiden Weiterförderungen sollen die schlimmsten Auswirkungen der Corona-Krise abfedern und Betreibern die Möglichkeit geben, sich um neue Vermarktungen im Anschluss zu kümmern.
Die Windbranche verbindet mit der Übergangsregelung noch eine ganz andere Hoffnung: So könnte in der dadurch gewonnenen Zeit ein gesetzlicher Rahmen für das Repowering geschaffen werden. Der Stand heute: „Wenn unwirtschaftlich gewordene Anlagen abgebaut werden, brauchen neue Anlagen am gleichen Standort auch komplett neue Genehmigungen“, kritisiert Markl-Meider von Ostwind. Selbst wenn sie als Repowering-Projekte leiser und effizienter sind. „Wenn Sie repowern wollen, wird der Standort so behandelt, als gäbe es dort keine Windenergieanlage“, beschwert sich auch ABO Wind-Sprecher Koffka. „Dank der Anschlussförderung können Ü20-Anlagen am Netz bleiben, bis der Gesetzgeber hoffentlich noch in diesem Jahr die Genehmigung von Repowering-Vorhaben erleichtert.“

Negative Strompreise: Problem bleibt ungelöst

Doch es gibt auch Verschärfungen im neuen EEG: So entfällt der Anspruch auf Marktprämien in Phasen negativer Strompreise. Alle Anlagen mit über 500 Kilowatt müssen dann auf die Umlage verzichten, wenn der Strom für mindestens vier aufeinanderfolgende Stunden zu einem negativen Preis
gehandelt wird. Die Regelung gilt für Anlagen, die ab dem 01.01.2021 ihren Zuschlag erhalten haben. Bisher galt die Regel erst bei Phasen ab mindestens sechs Stunden negativer Strompreise. „Die Finanzierung wird sich durch die Regelung verteuern, weil Banken und Investoren Risikoaufschläge nehmen werden“, vermutet Koffka. „Volkswirtschaftlich erhöht das die Kosten. Und das Problem der Überproduktion von Strom bleibt ungelöst. Statt abzuregeln, sollte es leichter möglich sein, überschüssigen Strom anderweitig zu nutzen.“

Planer und Betreiber von Windanlagen hoffen, dass insbesondere die Sektorkopplung künftig erleichtert wird. Statt zur Abregelung gezwungen zu werden, wäre dann der Anreiz höher, die Energie in andere Formen wie Wasserstoff zu überführen.

Markus Graebig, Leiter des Energiewendeprojekts WindNODE: „Die Technologie ist reif und wir haben mehr Flexibilität auf technischer Ebene gefunden, als wir erwartet haben. Die Energiewende wird nicht an den Ingenieuren scheitern. Wenn sie scheitern wird, dann an regulatorischen Fragen.“


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