Das Instrument der „isolierten“ Positivplanung (IPP) für die zusätzliche Ausweisung von Windenergieflächen findet im Baugesetzbuch seit dem
Jahr 2011 ausdrücklich Erwähnung.1 In punkto Windenergie hat das im Februar in Kraft getretene „Wind-an-Land-Gesetz“2 nun das Bauplanungs-recht auf den Kopf gestellt. Welche Relevanz verbleibt der IPP und welche Chancen eröffnet diese?

Isolierte Positivplanung – Begriffsbestimmung IPP bezeichnet die separate, nachträgliche und zusätzliche Ausweisung einzelner Flächen für die Windenergienutzung in einem Gebiet, für das bereits ein Flächennutzungsplan mit Windenergieausweisungen existiert. Die „isoliert“ neu geplanten Sonderbauflächen für Windenergie treten also zu den bereits vorhandenen Konzentrationsflächen hinzu.3

Ein Bedürfnis für dieses Instrument resultiert aus dem Dilemma vieler Gemeinden bei der Ausweisung von Flächen für die Windenergienutzung. Oftmals besteht bereits ein Flächennutzungsplan mit Konzentrationswirkung, der nicht in Gänze überarbeitet werden soll. Viele Gemeinden wollen an ihrer Konzentrationsflächenplanung festhalten, nicht zuletzt aufgrund fehlender finanzieller und personeller Ressourcen für die Aufstellung eines umfassenden und neuen Planungskonzeptes samt umfangreichen Gutachten und dem Risiko, in den neuen Plan versehentlich Fehler einzubauen. Eine isolierte Planung zusätzlicher Flächen hätte hingegen den Vorteil, dass der bereits bestehende Plan mitsamt seiner Konzentrationswirkung unangetastet bleiben kann und gleichzeitig sich diese Planung auf die zusätzlichen Flächen beschränkt.

Weiterhin Anwendungsbedarf?

Geregelt ist die Konzentrationsflächenplanung, mittels derer Kommunen durch Ausweisung von Windenergienutzung diese im restlichen Plan-gebiet ausschließen konnten, in § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB. Damit ist aber künftig Schluss: Das Wind-an-Land-Gesetz nimmt Windenergievorhaben von der Ausschlusswirkung des § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB aus (vgl. § 249 Abs. 1 BauGB n.F.). Gemeinden sollen Windenergienutzung in ihrem Gebiet nicht mehr negativ steuern, vielmehr wird das gesamte Bauplanungs-recht hinsichtlich der Windenergieanlagen auf Positivplanung umgestellt. Die Ausschlusswirkung des § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB kann jedoch potenziell noch bis 31.12.2027 greifen (Ausnahme: bestimmte Repowering- Vorhaben). Voraussetzung für einen Wechsel des Regelungsregimes ist grundsätzlich das Erreichen der jeweiligen Flächenziele des Windenergie-flächenbedarfsgesetzes (vgl. § 245e Abs. 1 S. 2 BauGB).

In weiten Teilen wird es daher noch einige Jahre Bedarf für eine isolierte Ausweisung zusätzlicher Flächen in bestehenden Konzentrationsflächen-plänen geben, gerade weil ein schneller Ausbau der Windenergie in Deutschland klima- und energiepolitisch drängt. Ist es aber nach aktuel-lem Bauplanungsrecht noch möglich, eine Fläche isoliert auszuweisen, ohne den bestehenden Flächennutzungsplan insgesamt anzutasten?

Rückblick: vor dem Wind-an-Land-Gesetz

Ein kurzer Blick zurück in die Zeit vor Inkrafttreten des Wind-an-Land-Gesetzes: § 249 Abs. 1 BauGB bestimmte, dass aus der Darstellung von zusätzlichen Flächen für die Windenergienutzung nicht folgt, dass die bisherigen Darstellungen für die Erzielung der Rechtswirkung des § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB, die Konzentrations- und Ausschlusswirkung, nicht ausreichend sind. Gerade auf diese Wirkung kam es den meisten Gemein-den an. Ob der bestehende Flächennutzungsplan für eine zusätzliche, isolierte Ausweisung aber fehlerfrei sein musste4 oder die Rechtmäßigkeit der alten Planung nicht zu überprüfen war 5, bildete einen Streitpunkt der oberverwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung. Ebenfalls umstritten war, ob die Ausweisung einer einzelnen zusätzlichen Fläche trotzdem einer vollständigen Abwägung des Gesamtplanes bedurfte und ob sich die neu-en Flächen weiterhin in das alte Plankonzept und die dort formulierten harten und weichen Tabukriterien einfügen mussten.6

Abwägungsprogramm und IPP bestätigt

Die Diskussion hat sich durch Inkrafttreten der Regelungen des Wind-an-Land-Gesetzes in weiten Teilen erübrigt. Seit Februar existiert die bisherige Vorschrift des § 249 Abs. 1 BauGB nicht mehr. Eine Regelung zur Darstellung „zusätzliche[r] Flächen für die Nutzung von Windenergie“ in einem Flächennutzungs- oder Raumordnungsplan trifft aber der neue
§ 245e Abs. 1 S. 5 BauGB. Die Norm beschränkt die Abwägung auf die Belange, die durch die Darstellung der zusätzlichen Flächen berührt werden. Dies sei jedoch auch nur eine Klarstellung der bisher bereits geltenden Rechtslage, bestätigt die Gesetzesbegründung. 7 Die Streichung des § 249 Abs. 1 BauGB a.F. ist damit keine Absage des Gesetzgebers
an die IPP. Vielmehr will der Gesetzgeber „einen Anreiz zur schnellen Ausweisung zusätzlicher Flächen geben“ 8 und bestätigt daher die IPP als Planungsinstrument.

Neue Fragen

Einen weiteren bisherigen Streitpunkt scheint § 245e Abs. 1 S. 6 BauGB zu schlichten, indem er zunächst klarstellt, dass eine Abweichung vom Planungskonzept möglich ist – aber unter der Bedingung, dass die Pla-nungsgrundzüge erhalten bleiben. „Grundzüge der Planung“ beschreiben jedoch i.S.d. § 31 Abs. 2 BauGB nur die „planerische Grundkonzeption“. 9 Diesen Widerspruch löst auch die Regelvermutung, die Grundzüge der Planung seien gewahrt, wenn höchstens 25 Prozent der bislang darge-stellten Flächen zusätzlich ausgewiesen würden, nicht auf. Diese Regel wirft vielmehr weitere Fragen auf. Wieso ausgerechnet 25 Prozent? Weshalb wird die Einhaltung des planerischen Grundkonzepts gerade und ausschließlich mit Einhaltung einer bestimmten Flächenmenge gleichgesetzt? Weiterhin erscheint, die bislang dargestellten Flächen als Anknüpfungspunkt zu wählen, problematisch in Fällen, in denen eine Gemeinde Windenergieanlagen auf ihrem Gebiet bisher verhindern wollte und entsprechend wenig Gebiete ausgewiesen hat. Einen zugunsten der Windenergie geänderten politischen Willen der Gemeindevertretung durch IPP schnell in die Tat umzusetzen, wird durch die neue Regelung nicht gerade erleichtert. Überdies fragt sich, unter welchen Umständen auch die zusätzliche Ausweisung von mehr als 25 Prozent der bisher dar-gestellten Flächen die Grundzüge der Planung wahrt und ob in diesem Fall die in der bisherigen Rechtspraxis diskutierten Maßstäbe wieder virulent werden.

Chancen

Hat der Gesetzgeber seine Ziele, einen Anreiz zum schnellen Ausbau der Windenergie zu schaffen, jedenfalls mittels der isolierten Positivplanung in der Summe verfehlt? Auch eine IPP, die die 25-Prozent-Grenze überschreitet, ist nicht per se ausgeschlossen. Ihre Zulässigkeit wird sich allerdings weiterhin nach den zur bisherigen Rechtslage aufgestellten Grundsätzen bemessen. Immerhin bis zu der Flächenmenge von 25 Prozent können kommunale Planungsträger nun aber sicher davon ausgehen, dass sie die Grundzüge der Planung wahren und eine IPP zulässig ist. Neben dieser höheren Rechtssicherheit verspricht ein begrenztes Abwägungs- und Prüfprogramm Erleichterungen für nach-trägliche einzelne Ausweisungen. § 245e Abs. 4 BauGB hält noch einen weiteren Grund bereit, um auf einen beschleunigten Windenergieausbau zu hoffen: Bereits das Vorliegen des Entwurfs einer geplanten zusätzlichen Windenergieausweisung – u.a. im Rahmen einer IPP – genügt unter Umständen für die Zulassung eines Windenergievorhabens außerhalb der bisherigen Konzentrationsflächen.

Fußnoten:

1) Vgl. Gesetz zur Förderung des Klimaschutzes bei der Entwicklung in den Städten und Gemeinden v.22.7.2011, BGBl. I, S. 1509.
2) Gesetz zur Erhöhung und Beschleunigung des Ausbaus von Windenergieanlagen an Land v. 28.7.2022, BGBl. I, S. 1353.
3) Vgl. Hilkenbach/Falke, „Isolierte Positivplanung“ nach § 249 Abs. 1 BauGB als flexibles Planinstrument, ZNER 1/2020, 1–7, S. 1.
4) Vgl. OVG Lüneburg, Urt. v. 19.6.2019 (12 KN 64/17).
5) Vgl. OVG Münster, Urt. v. 17.5.2017 (2 D 22.15).
6) Vgl. ausführlich hierzu Hilkenbach/Falke, „Isolierte Positivplanung“ nach § 249 Abs. 1 BauGB als flexibles Plan- instrument, ZNER 1/20, 1–7.
7) Vgl. BT-Drs. 20/3743, S. 23.
8) BT-Drs. 20/3743, S. 23.
9) Vgl. Reidt, Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB-Kommentar, 14. Aufl. 2019, § 31 Rn. 29.

 

 


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