Auf der Suche nach Möglichkeiten, die Flächenverfügbarkeit für die Windenergienutzung an Land zu verbessern, sind durch viele Kommu­nen, Branchenverbände und zuletzt sogar die Stiftung Umweltenergie­recht Forderungen nach einer Vereinfachung des Planungsverfahrens zur Steuerung der Windenergienutzung an Land laut geworden. Die Bedeutung, die der iso­lierten Ausweisung von Windkonzentrationszonen ohne gesamträum­liches Planungskonzept beigemessen wird, ist jedoch immer noch viel zu gering. Dabei hat der Gesetzgeber bereits im Jahr 2011 durch die Aufnahme des § 249 Abs. 1 BauGB den kommunalen Planungsträgern die Möglichkeit eröffnet, weitere Flächen für die Windenergienutzung zur Verfügung zu stellen, wenn bereits eine Konzentrationsflächenpla­nung besteht.

„Isolierte“ Positivplanung – Was ist das genau?

Das Dilemma vieler Gemeinden bei der Ausweisung von Flächen für die Windenergienutzung besteht darin, dass bereits ein Flächennutzungs­plan mit Konzentrationswirkung besteht, der nicht in Gänze überarbeitet werden soll. Viele Gemeinden wollen an ihrer Konzentrationsflächen­planung festhalten, nicht zuletzt aufgrund fehlender finanzieller und personeller Ressourcen für die Aufstellung eines umfassenden und neuen Planungskonzeptes. So bestehen zahlreiche alte Flächennutzungspläne mit Konzentrationswirkung seit den 2000er­Jahren, die bisher keine Über­arbeitung erfahren haben.

Die „isolierte“ Positivplanung, gesetzlich normiert in § 249 Abs. 1 BauGB, bietet den kommunalen Planungsträgern die Möglichkeit, weitere Flächen für die Windenergienutzung auszuweisen, ohne das gesamte Planungskonzept ihrer Konzentrationsplanung überarbeiten zu müssen. § 249 Abs. 1 BauGB bestimmt, dass aus der Darstellung von zusätzlichen Flächen für die Windenergienutzung nicht folgt, dass die bisherigen Darstellungen für die Erzielung der Rechtswirkung des § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB, der Konzentrations­ und Ausschlusswirkung, nicht ausreichend sind. Denn gerade an dieser Ausschlusswirkung wollen viele Gemeinden aus städtebaulichen Gründen festhalten. Hinzu kommt die „Angst“ vor der Fehleranfälligkeit einer neuen Konzentrationsflächenplanung.

Die „isolierte“ Positivplanung ist damit nicht viel mehr als eine Flächen­nutzungsplanung, mit der eine zusätzliche Fläche für die Windenergie­nutzung im Planungsgebiet ausgewiesen wird. Diese nimmt automatisch, ohne den Anforderungen an die höchstrichterliche Rechtsprechung zur Konzentrationsflächenplanung genügen zu müssen, an der bereits be­stehenden Konzentrationswirkung teil.


 

 


Welche Voraussetzungen müssen für die Planung vorliegen?

Die Voraussetzungen einer „isolierte“ Positivplanung im Sinne des § 249 Abs. 1 BauGB und damit auch der Aufwand für eine solche Planung sind überschaubar.

  1. Grundsätzlich stellt die isolierte Ausweisung einer Fläche für die Windenergienutzung auf Flächennutzungsplanebene eine Änderung des geltenden Flächennutzungsplans nach den Vorschriften der §§ 1 ff. BauGB dar.
  2. Zudem muss der bereits existierenden Flächennutzungsplanung des kommunalen Planungsträgers ein gesamträumliches Planungskonzept zugrunde liegen. Andernfalls gäbe es bereits keine Konzentrations­und Ausschlusswirkung im Gebiet, an der die „isolierte“ Positivpla­nung teilnehmen würde und würde ansonsten eine reine Positivpla­nung darstellen. Umstritten ist, ob dieses fehlerfrei sein muss, es also einer Überprüfung der Rechtmäßigkeit der alten Flächennutzungs­planung bedarf. § 249 Abs. 1 BauGB enthält hierzu keine Regelung, vielmehr nur eine „umgedrehte Vermutungsregel“, nach der die zusätzliche Ausweisung nicht direkt zu der Annahme führt, dass das Planungskonzept fehlerhaft sei.
  3. Ein neues schlüssiges, gesamträumliches Planungskonzept, orientiert an den Anforderungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung, be­darf es für die Ausweisung einer einzelnen Fläche für die Windener­gienutzung wohl nicht.

Was sagt die oberverwaltungsgerichtliche Rechtsprechung dazu?

Das OVG Münster hat den Begriff der „isolierten“ Positivplanung in einer Entscheidung aus dem Jahr 2017 aufgegriffen und betont, dass § 249 Abs. 1 BauGB dazu diene, die kommunalen Planungsträger in die Lage zu versetzen, weitere Flächen neben einer bereits bestehenden Flächennut­zungsplanung für die Windenergienutzung zur Verfügung zu stellen. Es stellt klar, dass kommunale Planungsträger nicht aus Angst vor Fehlern im bestandkräftigen Planungskonzept auf die Ausweisung weiterer Flächen für die Windenergienutzung verzichten sollen. Aus diesem Grund sieht das OVG Münster insbesondere kein Erfordernis, die Rechtmäßigkeit der bereits bestehenden Konzentrationsflächenplanung zu überprüfen.
Das OVG Lüneburg hingegen lässt die Vorschrift des § 249 Abs. 1 BauGB im Ergebnis leerlaufen. Denn es nimmt an, dass der kommunale Pla­nungsträger bei der Ausweisung zusätzlicher Flächen eine vollständige Gesamtabwägung vornehmen und damit auch die Aktualität der alten Planung überprüfen muss.6 Die Auffassung des OVG Lüneburg ist jedoch aus mehreren Gründen nicht überzeugend,7 sodass eine isolierte Auswei­sung weiterer Flächen für die Windenergienutzung auch ohne gesamt­räumliches Planungskonzept, derzeit wohl mit Ausnahme in Niedersach­sen, auf § 249 Abs. 1 BauGB gestützt werden kann.

Offene Fragen: Handlungsbedarf für den Gesetzgeber

Zusammenfassend ist damit festzustellen: § 249 Abs. 1 BauGB stellt bereits in seiner jetzigen Ausgestaltung eine Regelung dar, auf deren Grundlage rechtssicher weitere Flächen für die Windenergienutzung auf Flächennutzungsplanebene ausgewiesen werden können. Es bleiben bei der Ausweisung zusätzlicher Flächen für die Windenergienutzung mithin zwei Fragen, die einer Klarstellung durch den Gesetzgeber bedürfen.

Dies betrifft zum einen die Frage, ob sich die „isolierte“ Ausweisung weiterer Flächen in den direkten Widerspruch zur früheren Planung und damit auch zu früheren harten oder weichen Tabuzonen setzen darf. Das OVG Münster löste die Verbindung zwischen alter und neuer Planung ins­gesamt und stützt sich hierbei auf den Wortlaut des § 249 Abs. 1 BauGB.8 Ein Einfügen in das bisherige Planungskonzept wäre hiernach nicht erfor­derlich. Anders sieht es jedoch beispielsweise das OVG Lüneburg.

Schließlich stellt sich die Frage, ob sogar die Möglichkeit besteht, mit der Ausweisung zusätzlicher Flächen das alte Planungskonzept zu hei­len, sofern nicht ausreichend Fläche für die Windenergienutzung ausgewiesen und dieser damit nicht substantiell Raum verschafft wurde. Interessant wird dies vor dem Hintergrund, dass nach dem Sondierungspapier der Ampel­Koalition nunmehr eine bundesrechtlich normierte Flächenvorgabe zu erwarten ist. Sollten auch alte Konzentra­tionsflächenplanungen durch eine „Aktualisierungsklausel“9 innerhalb einer bestimmten Frist auf ihre Vereinbarkeit mit der bundesrechtlichen Flächenvorgabe überprüft werden, könnten Gemeinden durch die Aus­weisung zusätzlicher Flächen durch isolierte Positivplanung einer Aufhe­bung der gesamten Konzentrations­ und Ausschlusswirkung in Zukunft möglicherweise entgehen.

Es bleibt daher abzuwarten, ob der Gesetzgeber eine Konkretisierung des § 249 Abs. 1 BauGB vornimmt und die offenen Fragen rund um die „isolierte“ Ausweisung von Flächen für die Windenergienutzung beant­worten wird.

Ihre Fragen rund um die „isolierte“ Ausweisung zusätzlicher Flächen für die Windenergienutzung werden auch beim 3. Leipziger Windrechtsforum im Januar 2022 beantwortet. Hier können Sie mit uns auch über Ihr konkretes Projekt und die mögliche Umsetzung durch eine „isolierte Positivplanung“ ins Gespräch kommen. Eine Anmeldung zum 3. Leipziger Windrechtsforum erfolgt über unsere Internetseite: www.prometheus­recht.de.


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