Einleitung

Am 18. Mai 2022 hat die Europäische Kommission (EU-Kommission) im Rahmen des EU-Plans REPowerEU1 einen Vorschlag zur Änderung der Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED III)2 vorgelegt, welcher weitreichende Regelungen zur Vereinfachung und Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren für den Ausbau der erneuerbaren Energien (EE) beinhaltet. Der Vorschlag ergänzt den bereits am 14. Juli 2021 von der EU-Kommission veröffentlichten Vorschlag zur Änderung der Erneuerbare-Energien-Richtlinie3 welcher Teil des Fit for 55-Pakets4 ist.

Mit der vorgesehenen Einführung von sogenannten Beschleunigungsgebieten für EE (Beschleunigungsgebiete) in der RED III wird auf EU-Ebene eine für alle EU-Mitgliedstaaten verbindliche Systematik der Flächenausweisung für EE in diesen Gebieten festgelegt. Im Rahmen des regulären EU-Gesetzgebungsverfahrens befassten sich der Rat der Europäischen Union (Rat) und das Europäische Parlament (EP) mit den beiden Richtlinienentwürfen. Der Bundesverband WindEnergie e. V. (BWE) hat das Verfahren intensiv begleitet und sich im Austausch mit den beteiligten Stakeholdern mit Vorschlägen konstruktiv eingebracht. Nach Trilog-Verhandlungen, in denen die beiden Entwürfe in einen gemeinsamen Text integriert wurden, erzielten die beteiligten EU-Institutionen am 30. März 2023 eine politische Einigung über die konsolidierte RED III. Der Rat verabschiedete den geeinten Kompromisstext am 19. Juni 2023; der zuständige Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie (ITRE) des EP segnete diesen Kompromiss am 28. Juni 2023 ab.

Die finale Abstimmung über die RED III im gesamten Plenum des EP wird voraussichtlich nach der parlamentarischen Sommerpause im September 2023 erfolgen. Anschließend muss der Rat ebenfalls final zustimmen. Die RED III tritt 20 Tage nach Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft und muss dann von den EU-Mitgliedstaaten sukzessive und für einzelne Artikel (u. a. Art. 15e, 16, 16b, 16ba und 16e) zeitlich abgestuft bereits bis zum 01. Juli 2024 in nationales Recht umgesetzt werden. Für weitere Artikel, die Regelungen zu Beschleunigungsgebieten enthalten, gelten gesonderte, längere Umsetzungsfristen.

Die RED III hat das Potenzial, den Ausbau der EE in der EU erheblich zu beschleunigen und zu vereinfachen. Die geänderte Richtlinie verstetigt wesentliche Regelungen der befristet geltenden EU-Notfallverordnung und umfasst darüber hinaus eine Vielzahl an neuen Vorschriften im Planungs- und Genehmigungsverfahren. Jedoch wirft die RED III auch eine Reihe von komplexen Fragestellungen auf, welche im Rahmen der nun kommenden nationalen Umsetzung beantwortet werden müssen.

Angesichts der Bedeutung und Tragweite dieser Richtlinie soll dieses Informationspapier einen ersten Überblick über wesentliche Änderungen für die Windenergie geben. Es beinhaltet jedoch keine ausführliche Analyse und inhaltliche Bewertung. Der BWE wird detailliert inhaltlich zum weiteren Umsetzungsprozess der RED III Stellung nehmen, sobald das Verfahren auf nationaler Ebene beginnt. Weiterhin basiert dieses Informationspapier auf dem englischen Richtlinientext in der Fassung vom 19. Juni 20235, welcher bis zur finalen Abstimmung im gesamten Plenum des EP im September noch in alle 24 Amtssprachen der EU übersetzt werden muss. Die in diesem Papier vorgenommenen Übersetzungen können daher gegebenenfalls im Einzelfall von der künftigen offiziellen deutschen Fassung im Amtsblatt der EU abweichen.

1 Beschleunigungsgebiete

1.1 Definition von Beschleunigungsgebieten

Mit der RED III wird in allen EU-Mitgliedstaaten die Einführung von Beschleunigungsgebieten vorgeschrieben. Nach Artikel 2. Nr. 9a6 der RED III wird ein Beschleunigungsgebiet definiert als ein bestimmter Standort oder ein bestimmtes Gebiet an Land, auf See oder in Binnengewässern, der bzw. das von einem Mitgliedstaat als für die Errichtung von Anlagen zur Erzeugung von Energie aus erneuerbaren Quellen besonders geeignet ausgewiesen worden ist.

Die Beschleunigungsgebiete werden in einem zweistufigen Gebietsauswahlverfahren festgelegt:

1.2 Kartierung und Planung von Gebieten für die Erzeugung von EE

Die erste Planungsstufe des Gebietsauswahlverfahrens umfasst zunächst die Festlegung übergeordneter Erneuerbare-Energien-Gebiete, welche für die nationalen Beiträge zum Ziel für erneuerbare Energie bis 2030 und zum Ziel der Klimaneutralität benötigt werden (im Folgenden als EE-Gebiete bezeichnet).

Gemäß Artikel 15b7 der RED III sollen die Mitgliedstaaten innerhalb von maximal 18 Monaten geeignete Flächen für die EE-Gebiete festlegen. Die vorgesehenen EE-Gebiete sollen den erwarteten Zielpfaden und der geplanten installierten Gesamtleistung gemäß der nationalen Energie- und Klimapläne nach Art. 3 und 14 der VO (EU) 2018/19998 entsprechen.

Bei der Auswahl dieser EE-Gebiete sollen eine Reihe von Faktoren berücksichtigt werden. Die Mitgliedstaaten sollen zunächst die EE-Erzeugungspotenziale an Land und auf See in diesen Gebieten prüfen. Ebenso sollen Faktoren wie die vorhandene und künftige Speicher- und Netzinfrastruktur und die angenommen künftige regionale Energienachfrage in diesen Gebieten betrachtet werden. Die Mitgliedstaaten sollen bei der Auswahl der Gebiete jene bevorzugen, die eine Mehrfachnutzung von EE-Technologien ermöglichen. Zusätzlich werden die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, diese Pläne in regelmäßigen Intervallen zu überprüfen und bei Bedarf zu aktualisieren. Grundsätzlich können die Mitgliedstaaten in dieser ersten Planungsstufe auf bestehenden Plänen aufbauen, wenn sie diese EE-Gebiete festlegen.

1.3 Ausweisung von Beschleunigungsgebieten

Die zweite Planungsstufe des Gebietsauswahlverfahrens umfasst die Ausweisung von Beschleunigungsgebieten: Innerhalb von maximal 27 Monaten nach Inkrafttreten der RED III sollen die Mitgliedstaaten nach Artikel 15c9 sicherstellen, dass die zuständigen Behörden einen oder mehrere Pläne mit Beschleunigungsgebieten für eine oder mehrere EE-Technologien aufgestellt haben. Die ausgewiesenen Beschleunigungsgebiete sollen im Vorfeld einer strategischen Umweltprüfung unterzogen worden sein. Weiterhin sollen die Mitgliedstaaten für diese Beschleunigungsgebiete eine Öffentlichkeitsbeteiligung nach Art. 15d10 der Richtlinie gewährleisten.

Die Beschleunigungsgebiete stellen in der Systematik der RED III eine „Untergruppe“ der übergeordneten EE-Gebiete dar.

Bei der Ausweisung von Beschleunigungsgebieten dürfen die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten die EE-Technologien Biomasse und Wasserkraft von diesen Gebieten gänzlich ausschließen. Die Größe dieser Gebiete und die Wahl einer oder mehrerer EE-Technologien kann dabei variieren, jedoch sollen alle ausgewiesenen Beschleunigungsgebiete zusammengerechnet einen signifikanten Beitrag dazu leisten, die innerhalb der RED III definierten Klimaziele zu erfüllen.

Die Richtlinie sieht im Zusammenhang mit der Ausweisung von Beschleunigungsgebieten Einschränkungen vor: Natura-2000-Gebiete sowie Gebiete, die Teil nationaler Schutzprogramme zum Schutz der Natur und biologischen Vielfalt sind sowie wichtige Zugrouten für Vögel und Meeressäuger dürfen nicht als Beschleunigungsgebiete ausgewiesen werden. Falls die ausgewiesenen Beschleunigungsgebiete erhebliche Auswirkungen auf Natura-2000-Gebiete haben könnten, ist zusätzlich eine FFH-Verträglichkeitsprüfung vorgeschrieben. Ausnahmen gelten hier nur für künstliche und bebaute Flächen innerhalb dieser Gebiete wie Dächer, Parkplätze oder Verkehrsinfrastruktur.

Die Gebietsauswahl der Beschleunigungsgebiete erfolgt daher anders als in der ersten Planungsstufe anhand von Faktoren, die Umwelt und Natur betreffen. Das heißt, es sollen diejenigen Gebiete ermittelt werden, in denen durch EE-Anlagen voraussichtlich keine erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu erwarten sind (Maßstab der strategischen Umweltprüfung).

1.4 Schutzmaßnahmen bei Ausweisung von Beschleunigungsgebieten

Die Mitgliedstaaten sollen nach Art. 15c11 der RED III für die Beschleunigungsgebiete geeignete Schutzmaßnahmen12 festlegen, um möglichst negative Umweltauswirkungen zu vermeiden oder, falls dies nicht möglich ist, erheblich zu verringern. Damit wird die Entscheidung darüber, ob und inwiefern Schutzmaßnahmen notwendig sind, auf die Planungsebene vorgezogen. Die Festlegung von Minderungsmaßnahmen soll laut Richtlinientext auf angemessene und zeitgerechte Art und Weise („proportionate and timely manner“) erfolgen, um die in weiteren Umweltrichtlinien der EU vorgesehenen rechtlichen Verpflichtungen einzuhalten.

Sofern die Vorschriften eingehalten werden und die Umsetzung geeigneter Minderungsmaßnahmen im Rahmen des Projekts gewährleistet ist, wird davon ausgegangen, dass das Projekt in diesen Beschleunigungsgebieten nicht gegen FFH-, Vogelschutz- und Wasserrahmenrichtlinien (Natura-2000/Gebietsschutz, besonderer Artenschutz, wasserrechtliches Verschlechterungsverbot bzw. Verbesserungsgebot) verstoßen. Dies bedeutet, dass die diesbezüglichen Prüfungspflichten auf Genehmigungsebene grundsätzlich entfallen.

1.5 Erklärung von Beschleunigungsgebieten auf Grundlage bestehender ausgewiesener Gebiete in den Mitgliedstaaten

Die Richtlinie sieht in Art. 15c Abs. 413 neben dem skizzierten Prozess zur Ausweisung noch ein weiteres vereinfachtes Verfahren vor: Innerhalb von sechs Monaten nach Inkrafttreten der Richtlinie können Mitgliedstaaten bereits ausgewiesene Gebiete (z. B. Windvorranggebiete) vereinfacht zu Beschleunigungsgebieten erklären, sofern die folgenden Bedingungen erfüllt sind:

(a) Diese Gebiete sollen außerhalb von Natura-2000-Gebieten sowie von Gebieten, die im Rahmen nationaler Schutzregelungen zur Erhaltung der Natur und der biologischen Vielfalt ausgewiesen sind, und von ausgewiesenen Vogelzugrouten liegen.

(b) Die Pläne, in denen diese Gebiete ausgewiesen sind, wurden gegebenenfalls einer strategischen Umweltprüfung unterzogen und ggf. einer FFH-Verträglichkeitsprüfung gemäß Artikel 6 Absatz 3 der FFH-Richtlinie.

(c) Bei Projekten in diesen Gebieten werden geeignete und verhältnismäßige Schutzmaßnahmen angewandt, um mögliche negative Umweltauswirkungen zu verringern.

(d) Bei der Erteilung von Genehmigungen wenden die zuständigen Behörden die in der RED III genannten Verfahren und Fristen auf einzelne Projekte in Beschleunigungsgebieten an.

Mit Hilfe dieses Artikels können die Mitgliedstaaten so die bereits bestehenden und einer strategischen Umweltprüfung unterzogenen Gebiete im „Schnellverfahren“ als Beschleunigungsgebiete ausweisen. Nach BWE-Informationen wurde dieser Zusatz zu Artikel 15c insbesondere auf Initiative der Bundesregierung in die Richtlinie aufgenommen. Es ist zu erwarten, dass diese Kann-Regelung entsprechend im Rahmen der nationalen Umsetzung genutzt wird.

2 Genehmigungsverfahren für EE

2.1 Organisation und wichtigste Grundsätze des Genehmigungsverfahrens

Die Richtlinie legt darüber hinaus auch einheitliche Vorgaben für die Genehmigungsverfahren in allen Mitgliedstaaten fest. Nach Art. 16a Abs. 114 inkludiert das Genehmigungsverfahren alle relevanten und notwendigen administrativen Genehmigungen für den Bau, Repowering und Betrieb von EE-Anlagen (einschließlich Hybrid-Stromerzeugungsanlagen), Vor-Ort-Energiespeicher, Netzanschlüsse sowie Kälte- und Wärmenetze.

Weiterhin umfasst die Regelung alle behördlichen Stufen eines Genehmigungsverfahrens: So sollen zum Beispiel spätestens nach 30 Tagen für EE-Anlagen in Beschleunigungsgebieten bzw. 45 Tagen außerhalb dieser Gebiete nach Antragseingang die zuständige Behörde die Vollständigkeit des Antrags bestätigen. Die Behörde kann den Projektträger dazu auffordern, fehlende Dokumente ohne schuldhaftes Zögern zur Vervollständigung des Antrags nachzureichen. Die Anerkennung der Vollständigkeit des Antrags von der Behörde ist Startpunkt des Genehmigungsverfahrens und den damit verbundenen Fristen.

Die Mitgliedstaaten werden darüber hinaus verpflichtet, sogenannte Kontaktstellen einzurichten, die dem Antragssteller ein einfacheres Verfahren ermöglichen sollen. Antragssteller sollen so nur noch mit einer Kontaktstelle im Austausch stehen, die den gesamten Genehmigungsprozess administrativ organisieren soll. Die Antragsteller sollen die Möglichkeit haben, relevante Dokumente in elektronischer Form einzureichen. Die Mitgliedstaaten sollen daher innerhalb von maximal zwei Jahren nach Inkrafttreten der Richtlinie sicherstellen, dass alle Verfahren in elektronischer Form abgewickelt werden können. Die in der RED festgelegten Fristen gelten unbeschadet gerichtlicher Rechtsbehelfe, Rechtsmittel und anderer Verfahren vor einem Gericht sowie alternativer Streitbeilegungsmechanismen, einschließlich Beschwerdeverfahren, außergerichtlicher Rechtsbehelfe und Rechtsmittel und können für die Dauer dieser Verfahren verlängert werden. Die Mitgliedstaaten werden weiterhin dazu verpflichtet, ausreichend finanzielle und personelle Ressourcen in den Behörden zur Prüfung der Anträge bereitzustellen.

Die Fristen für Genehmigungsverfahren unterscheiden sich grundsätzlich darin, ob ein Projekt innerhalb oder außerhalb eines Beschleunigungsgebiets realisiert werden soll. Im Folgenden Abschnitt werden diese Unterschiede skizziert.

2.2 Genehmigungsverfahren innerhalb von Beschleunigungsgebieten

Nach Art. 16a Abs. 115 sollen Genehmigungsverfahren innerhalb von Beschleunigungsgebieten für neue Projekte an Land nicht länger als ein Jahr dauern. Das Genehmigungsverfahren kann nur in außergewöhnlichen, begründeten Umständen einmalig um bis zu sechs Monate verlängert werden. Hierfür soll die zuständige Behörde jedoch darlegen, welche Gründe dieser Verzögerung zugrunde liegen.

Genehmigungsverfahren für Repowering-Projekte und Anlagen mit einer Leistung von weniger als 150 kW innerhalb von Beschleunigungsgebieten sollen nicht länger als maximal sechs Monate dauern (Art. 16a Abs. 216). Bei allen Repowering-Projekten in Beschleunigungsgebieten ist nur eine Delta-Prüfung notwendig.

2.3 Überprüfungsverfahren (Screening) innerhalb von Beschleunigungsgebieten

Innerhalb von Beschleunigungsgebieten entfällt die Pflicht zur Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) und FFH-Verträglichkeitsprüfung, sofern die Projekte die bei der Gebietsausweisung festgelegten Schutz-/Minderungsmaßnahmen einhalten.

Die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten sollen jedoch im Vorfeld ein Überprüfungsverfahren (Screening) der Projekte anordnen. Mit dieser Prüfung soll festgestellt werden, ob ein Projekt mit hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche unvorhergesehene nachteilige Auswirkungen haben wird, die bei der Umweltprüfung und ggf. FFH-Verträglichkeitsprüfung des Plans oder der Pläne zur Ausweisung von Beschleunigungsgebieten nicht festgestellt wurden.

Für diese Prüfung legt der Projektentwickler Informationen über die Merkmale des Projekts, seine Übereinstimmung mit den Vorschriften und Maßnahmen für das spezifische Beschleunigungsgebiet sowie über etwaige zusätzliche Maßnahmen des Projekts und die Art und Weise, wie diese Maßnahmen die Umweltauswirkungen berücksichtigen, vor. Die zuständige Behörde kann den Antragsteller auffordern, zusätzliche verfügbare Informationen vorzulegen. Diese Prüfung soll innerhalb von 45 Tagen ab dem Datum der Einreichung der Anträge abgeschlossen sein, wobei die zu diesem Zweck erforderlichen Informationen für neue Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien vorliegen sollen. Bei neuen Anträgen für das Repowering von Anlagen soll die Prüfungsphase innerhalb von 30 Tagen abgeschlossen sein.

Nach dem Screening-Verfahren nach Art. 16a Abs. 517 werden die Projektanträge unter Umweltgesichtspunkten genehmigt, ohne dass eine ausdrückliche Entscheidung der zuständigen Behörde erforderlich ist. Wenn die zuständige Behörde jedoch feststellt, dass ein bestimmtes Projekt mit hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche unvorhergesehene nachteilige Auswirkungen haben wird, die durch die in dem Plan oder den Plänen zur Ausweisung von Beschleunigungsgebieten festgelegten oder vom Projektträger für das Projekt vorgeschlagenen Maßnahmen nicht abgemildert werden können, kann die zuständige Behörde eine begründete Verwaltungsentscheidung erlassen. Diese Entscheidung ist der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Solche Projekte werden dann einer UVP und Prüfung gemäß der FFH-Richtlinie (FFH-Verträglichkeit und FFH-Artenschutz) unterzogen. Diese soll innerhalb von sechs Monaten durchgeführt werden.

Unter begründeten Umständen können die Mitgliedstaaten solche Projekte von diesen nachträglichen Prüfungen hinsichtlich UVP und FFH-Richtlinie ausnehmen.18 Wenn die Mitgliedstaaten diese Regelung anwenden, soll der Betreiber verhältnismäßige Minderungsmaßnahmen oder, falls diese nicht verfügbar sind, Ausgleichsmaßnahmen ergreifen, welche auch in Form einer finanziellen Kompensation ausgestaltet sein können – wenn keine andere verhältnismäßigen Maßnahmen verfügbar sind –, um nachteilige Auswirkungen auszugleichen. Wenn diese Maßnahmen Auswirkungen auf den Artenschutz haben, soll der Betreiber für die Dauer des Betriebs der Anlage zur Nutzung erneuerbarer Energiequellen einen finanziellen Ausgleich für Artenschutzprogramme zahlen, um den Erhaltungszustand der betroffenen Arten zu gewährleisten oder zu verbessern.

2.4 Genehmigungsverfahren außerhalb von Beschleunigungsgebieten

Nach Art. 16b19 sollen Genehmigungsverfahren außerhalb von Beschleunigungsgebieten für neue Projekte an Land nicht länger als zwei Jahre dauern. Das Genehmigungsverfahren kann nur in außergewöhnlichen, begründeten Umständen einmalig um bis zu sechs Monate verlängert werden. Hierfür soll die zuständige Behörde jedoch begründen, welche Gründe dieser Verzögerung zugrunde liegen.

Genehmigungsverfahren für Repowering-Projekte und Anlagen mit einer Leistung von weniger als 150 kW außerhalb von Beschleunigungsgebieten sollen nicht länger als maximal ein Jahr dauern (Art. 16b Abs. 2). Es gibt eine einmalige Verlängerungsmöglichkeit um maximal drei Monate, jedoch nur bei außergewöhnlichen Umständen.

3 Gebiete für Netz- und Speicherinfrastrukturen

Neben den Beschleunigungsgebieten sieht die Richtlinie weiterhin vor, dass die Mitgliedstaaten gemäß Art. 15e20 einen oder mehrere Pläne zur Ausweisung spezieller Infrastrukturgebiete für die Entwicklung von Netz- und Speicherprojekte, die für die Integration von EE in das Stromsystem erforderlich sind, aufstellen können. Diese Gebiete können festgelegt werden, wenn keine signifikanten Umweltauswirkungen zu erwarten sind oder es möglich ist, diese in den Gebieten entweder zu vermeiden oder zu kompensieren. Diese Gebiete sollen die Beschleunigungsgebiete ergänzen und komplementieren; analog gelten wiederum ähnliche Vorgaben und Einschränkungen bei der Ausweisung (siehe Beschleunigungsgebiete). Die Mitgliedstaaten können unter begründeten Umständen, einschließlich der notwendigen Beschleunigung des EE-Ausbaus, Netz- und Speicherprojekte in diesen Infrastrukturgebieten von der Pflicht einer UVP und FFH-Verträglichkeitsprüfung, sowie von einer Prüfung des Artenschutzes ausnehmen, soweit hierbei die festgelegten Verfahrensvorschriften zu den Beschleunigungsgebieten (SUP, Screening, Schutzmaßnahmen etc.) analog für diese Gebiete eingehalten werden.

4 Überragendes öffentliches Interesse der EE

Maximal drei Monate nach Inkrafttreten sollen die Mitgliedstaaten gemäß Artikel 16e21 bis zur Erreichung der Klimaneutralität sicherstellen, dass im Rahmen des Genehmigungsverfahrens die Planung, der Bau und der Betrieb von EE-Anlagen, ihr Anschluss an das Netz und das zugehörige Netz selbst sowie Speicheranlagen, bei den europäischen Ausnahmevorschriften nach der FFH-Richtlinie, Vogelschutz-Richtlinie und Wasserrahmenrichtlinie in der Regel als im überwiegenden öffentlichen Interesse liegend und der öffentlichen Gesundheit und Sicherheit dienend angesehen werden. Die Mitgliedstaaten können unter hinreichend begründeten und besonderen Umständen die Anwendung dieser Bestimmung auf bestimmte Teile ihres Hoheitsgebiets sowie auf bestimmte Arten von Technologien oder auf Projekte mit bestimmten technischen Merkmalen im Einklang mit den in ihren nationalen integrierten Energie- und Klimaplänen festgelegten Prioritäten beschränken. Die Mitgliedstaaten sollen die EU-Kommission über angewandte Beschränkungen informieren und diese begründen.

Haftungsausschluss

Die in diesem Papier enthaltenen Angaben und Informationen sind nach bestem Wissen erhoben, geprüft und zusammengestellt. Eine Haftung für unvollständige oder unrichtige Angaben, Informationen und Empfehlungen ist ausgeschlossen, sofern diese nicht grob fahrlässig oder vorsätzlich verbreitet wurden.

Der Bundesverband WindEnergie e.V. ist als registrierter Interessenvertreter im Lobbyregister des Deutschen Bundestages unter der Registernummer R002154 eingetragen. Den Eintrag des BWE finden Sie hier.

Ansprechpartner

Luca Liebe
Referent Politik Europa
l.liebe@wind-energie.de  

Datum

19. Juli 2023

  • 1
    Der REPowerEU-Plan wurde von der EU im Mai 2022 als Reaktion auf den Angriffskrieg Russlands in der Ukraine und dessen Auswirkungen, wie etwa Störungen des globalen Energiemarktes und damit einhergehenden möglichen Gasversorgungsengpässen gestartet. Der Plan umfasst eine Reihe von Rechtsakten sowie weitere Maßnahmen, um die Energieversorgung in der EU zu diversifizieren, Energie zu sparen und mehr erneuerbare Energien zu erzeugen – LINK.
  • 2
    Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie (EU) 2018/2001 zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen, der Richtlinie 2010/31/EU über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden sowie der Richtlinie 2012/27/EU zur Energieeffizienz – LINK.
  • 3
    Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie (EU) 2018/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates, der Verordnung (EU) 2018/1999 des Europäischen Parlaments und des Rates und der Richtlinie 98/70/EG des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf die Förderung von Energie aus erneuerbaren Quellen und zur Aufhebung der Richtlinie (EU) 2015/652 des Rates – LINK.
  • 4
    Am 14. Juli 2021 stellte die EU-Kommission das Fit for 55-Paket vor, welches eine Vielzahl an Vorschlägen zur Überarbeitung und Aktualisierung von EU-Rechtsvorschriften im Bereich des Klimaschutzes beinhaltet. Ziel ist ein kohärenter Rechtsrahmen zur Erreichung der EU-Klimaziele. Zahlreiche Rechtsakte des Fit for 55-Pakets, wie der Europäische Emissionshandel wurden bereits auf EU-Ebene verabschiedet, weitere Vorschriften sollen noch vor dem Ende der Legislaturperiode des Europäischen Parlaments im Jahr 2024 beschlossen werden – LINK.
  • 5
    Proposal for a Directive of the European Parliament and of the Council amending Directive (EU) 2018/2001 of the European Parliament and of the Council, Regulation (EU) 2018/1999 of the European Parliament and of the Council and Directive 98/70/EC of the European Parliament and of the Council as regards the promotion of energy from renewable sources, and repealing Council Directive (EU) 2015/652 and Proposal for a Directive of the European Parliament and of the Council amending Directive (EU) 2018/2001 on the promotion of the use of energy from renewable sources, Directive 2010/31/EU on the energy performance of buildings and Directive 2012/27/EU on energy efficiency – LINK
  • 6
    Vgl. Art. 2. Nr. 9a des RED III-Entwurfs – LINK.
  • 7
    Vgl. Art. 15b des RED III-Entwurfs – LINK.
  • 8
    Vgl. Verordnung (EU) 2018/1999 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2018 über das Governance-System für die Energieunion und für den Klimaschutz, zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 663/2009 und (EG) Nr. 715/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates, der Richtlinien 94/22/EG, 98/70/EG, 2009/31/EG, 2009/73,/EG, 2010/31/EU, 2012/27/EU und 2013/30/EU des Europäischen Parlaments und des Rates, der Richtlinien 2009/119/EG und (EU) 2015/652 des Rates und zur Aufhebung der Verordnung (EU) Nr. 525/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates – LINK.
  • 9
    Vgl. Art. 15c des RED III-Entwurfs – LINK.
  • 10
    Vgl. Art. 15d des RED III-Entwurfs – LINK.
  • 11
    Vgl. Art. 15c des RED III-Entwurfs – LINK
  • 12
    Anmerkung: Sobald der verabschiedete Richtlinientext in deutscher Sprache vorliegt, ist noch zu prüfen, ob der Begriff „Schutzmaßnahmen“ oder „Minderungsmaßnahmen“ verwendet wird.
  • 13
    Vgl. Art. 15c Abs. 4 des RED III-Entwurfs – LINK.
  • 14
    Vgl. Art. 16a Abs. 1 des RED III-Entwurfs - LINK.
  • 15
    Vgl. Art. 16a Abs. 1 des RED III-Entwurfs – LINK.
  • 16
    Vgl. Art. 16a Abs. 2 des RED III-Entwurfs – LINK.
  • 17
    Vgl. Art. 16a Abs. 5 des RED III-Entwurfs – LINK.
  • 18
    Vgl. Art. 16a Abs. 5 des RED III-Entwurfs – LINK
  • 19
    Vgl. Art. 16b des RED III-Entwurfs – LINK.
  • 20
    Vgl. Art. 15e des RED III-Entwurfs – LINK.
  • 21
    Vgl. Art. 16e des RED III-Entwurfs – LINK.