Wie eine Studie der Partei Bündnis 90/Die Grünen aus dem Mai 2021 ergeben hat, werden im Jahr 2030 allein 439.000 und im Jahr 2035 bereits 767.000 direkte und indirekte Arbeitskräfte gebraucht, davon 58 Prozent Fachkräfte. Schon jetzt bestehen in einigen Berufsfeldern der Energiewende Arbeitskräfteengpässe. Folglich ist es besonders herausfordernd, dass 40 Prozent des Arbeitskräftebedarfs für die Klimaneutralität auf Berufsgruppen entfallen, in denen die Bundesagentur für Arbeit schon jetzt einen Mangel an Fachkräften, Spezialisten und Experten festgestellt hat. Der größte Teil betrifft die Rohstoffgewinnung und Fertigung, gefolgt von Architektur, Vermessungs- und Gebäudetechnik. Ein weiteres Fünftel der relevanten Arbeitsplätze soll in Digitalisierungsberufen entstehen. Ohne politische Weichenstellungen, die die Einhaltung des Klimapfads gewährleisten und die Wirtschaft bei der Dekarbonisierung begleiten, dürfte auch in Zukunft mit gravierenden Arbeitskräfteengpässen zu rechnen sein. Erwartet werden darf zudem, dass der tatsächliche Arbeitskräftebedarf letztlich noch höher liegen wird, da die Bereiche Landwirtschaft, Forst und Abfall in den Berechnungen bislang nicht berücksichtigt wurden.
Auch für die Unternehmen gilt zu hinterfragen, ob sie den Beweggründen für eine Berufswahl gerecht werden. Neben Karriere- und Weiterbildungsmöglichkeiten sind dies eine positive Unternehmenskultur, ein attraktiver Lohn und flexibles Arbeiten. Das Gehalt ist dabei weiterhin ein wichtiges, aber keineswegs mehr das allein bestimmende Auswahlkriterium. Wie eines der führenden Jobportale Deutschlands im Jahr 2019 ermittelt hat, wollen 89 Prozent der Befragten den Sinn hinter ihren beruflichen Aufgaben nachvollziehen können und wie sie damit zum Erfolg des Unternehmens beitragen. Auch die Nachhaltigkeit des eigenen Arbeitgebers stellt mittlerweile einen wichti-gen Wert dar. 15,5 Prozent der Beschäftigten würden ihre Stelle definitiv kündigen, sollte ihr Unternehmen klimaschädlich handeln. Weitere 57,9 Prozent würden dies tun, wenn der Klimaschaden ein bestimmtes Ausmaß erreicht. 35 Prozent aller Befragten haben Umweltschutz in ihre Berufswahl einbezogen bzw. werden dies tun. Weitere Potenziale, Fachkräfteengpässe zu entschärfen, ergeben sich durch Betriebspraktika, Investitionen in berufliche Weiterbildungen, duale Studienangebote im engen Austausch mit Hochschulen und Universitäten sowie die Bereitschaft, sich für Branchen- und Berufswechselnde offen zu zeigen.
Nicht zuletzt aber bedeutet der Übergang zu einem klimaneutralen Deutschland einen Strukturwandel der Beschäftigung, für den es vor allem auch politische Unterstützung braucht. Es ist die Aufgabe der Politik, bürokratische Hürden bei Qualifikations- und Umschulungsprogrammen abzubauen, verständliches Informationsmaterial für zugewanderte Arbeitskräfte bereitzustellen, weitere Berufskampagnen für Jugendliche zu realisieren, Investitionsprogramme und Ausbildungsprämien anzubieten und nicht zuletzt all jenen Unternehmen, die mit ihrem Portfolio zur Klimaneutralität Deutschlands beitragen, die Möglichkeit zu eröffnen, auf dem heimischen Markt erfolgreich agieren zu können, bevor sie sich an internationalen Märkten orientieren. Für die Branche der Erneuerbaren Energien heißt dies ganz konkret: eine Wiederbelebung des jährlichen Ausbaus, nachdem dieser in den vergangenen Jahren deutlich eingebrochen ist.
Doch wie gelingt Unternehmen und Politik die Fachkräftesicherung? Wie die Bertelsmann Stiftung im Jahr 2021 ermittelt hat, hält die große Mehrheit der Jugendlichen in Deutschland (79 Prozent) das Informationsangebot zur Berufswahl insgesamt zwar für ausreichend, allerdings beklagen 54 Prozent von ihnen, dass sie Schwierigkeiten hätten, sich in der Fülle von Informationen zurechtzufinden.
Fast genauso viele haben zudem den Eindruck, die Politik tue zu wenig, um sie beim Berufseinstieg zu unterstützen. Es scheint an Orientierung bei der Beurteilung möglicher Berufsperspektiven zu fehlen. Denn nur wer gut informiert ist – allen voran über Berufs- und Studienorientierung an allen Schulen – kann sich für den passenden Bildungsweg entscheiden. Zwar hat sich Deutschland 2015 mit der Unterzeichnung der Nachhaltigkeitsagenda der Vereinten Nationen zur Förderung einer „Bildung für nachhaltige Entwicklung” (BNE) verpflichtet, doch zwischen den Bundesländern gibt es große Unterschiede, wie das Thema in die Lehrpläne integriert und in den Schulen um-gesetzt wird. Vielfach wecken aber gerade erst die schuli-schen Unterrichtseinheiten das Interesse dafür, einen der zahlreichen Studiengänge für grundlagen- und anwen-dungsorientierte Forschung oder einen entsprechenden Ausbildungsberuf im Energie-, Klima- bzw. Umweltbereich zu ergreif
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