Der Zubau von Offshore-Windparks geht welt weit in großen Schritten voran, allerdings geht der Boom derzeit am deutschen Offshore Markt vorbei. 2020 hat allein China Windräder mit zusammen 3.060 MW Leistung im Meer installiert  – und ist damit für die Hälfte des weltweiten Offshore-Zubaus verantwortlich. Mit einer Gesamtkapazität von mittlerweile 9.898 MW auf See hat China nun Deutschland (7.770 MW) auf den dritten Platz verwiesen und rangiert nur knapp hinter dem Spitzenreiter Großbritannien (10.206 MW).

„Der deutsche Markt für Offshore-Wind ist bereits 2020 stark eingebrochen und wird 2021 vollständig zum Stillstand kommen. Das hat sich für den Zubau in der Ostsee schon im Frühjahr 2019 feststellen lassen müssen“, sagt Achim Berge Olsen, als Chief Operating Officer (COO) der wpd AG für die Projektentwicklung offshore zuständig. Dass es nach den Null-EuroGeboten zum Fadenriss beim Offshore-Ausbau gekommen ist, habe zwei wesentliche Ursachen: „Erstens ist er Folge der Kürzung der Ausbauziele um 40 % beziehungsweise 10 GW im EEG 2014“, erläutert Berge Olsen. „Des Weiteren liegt es am im WindSeeG2017 eingeführten Systemwechsel auf das zentrale Modell. Dieser Fadenriss war ebenso absehbar wie vermeidbar.“ Die Folge aus Sicht von wpd: „Der nächste Zubau im deutschen Heimatmarkt für Windenergie offshore wird erst ab 2023/24 zu verzeichnen sein.“

Eine Ausnahme bildet der 342-MW-Windpark Kaskasi, den RWE 35 Kilometer vor Helgoland bauen wird. Der Park wurde im Dezember 2020 als erstes Projekt nach dem Windenergieauf-See-Gesetz genehmigt. Baubeginn soll noch in diesem Herbst sein, die Inbetriebnahme plant RWE für 2022. „Im Zeitraum 2020 bis einschließlich 2022 werden wir allein in Deutschland rund 1 Milliarde Euro netto in den Ausbau der Erneuerbaren investieren. Einen Großteil davon in unseren Offshore-Windpark Kaskasi“, sagt Sven Untermöhlen, COO Wind Offshore Global bei RWE Renewables. Die Lieferanten für die Hauptkomponenten der 38 Windräder sind nach Angaben des Unternehmens bereits ausgewählt. Für den gewollten zügigen Ausbau der Erneuerbaren Energien brauche es allerdings Rahmenbedingungen, die im weltweiten Wettbewerb um Investitionen bestehen können. „Großbritannien setzt mit zweiseitigen Differenzverträgen – kurz CfDs – den Standard. Denn sie führen zu den geringsten Stromgestehungskosten und ermöglichen auf diesem Weg wettbewerbsfähige Strompreise“, sagt Utermöhlen. Zugleich böten sie Investoren ein hohes Maß an Sicherheit, was die Realisierungswahrscheinlichkeit von Projekten erhöhe. „Es bleibt zu hoffen, dass die Weichen auch in Deutschland noch in die richtige Richtung gestellt werden,“ so Utermöhlen.

Ørsted sieht in Deutschland vor allem mittelfristig OffshorePotential. „Insgesamt sind bis 2050 ambitionierte Szenarien für Deutschland möglich und könnten eine installierte Leistung von 50 bis 70 Gigawatt Offshore-Windkraft umfassen. Zusätzlicher Bedarf kann entstehen, wenn Offshore-Anlagen mit Elektrolyseuren zur Herstellung von grünem Wasserstoff gekoppelt werden,“ sagt Jörg Kubitza, Geschäftführer von Ørsted in Deutschland. „Die Anhebung der Offshore-Wind-Ausbauziele bis 2040 auf 40 GW waren ein sehr guter erster Schritt.“ Gut wäre nun, ein Zwischenziel von 35 GW bis 2035 festzulegen, um den kontinuierlichen und damit wirtschaftlichen Ausbau zu ermöglichen. Der deutsche Markt bleibe für Ørsted ein Kernmarkt für den Ausbau von Offshore-Windenergie und grünem Wasserstoff. Weltweit entwickle Ørsted aktuell rund 10 Gigawatt Offshore-Windkraft. Zu ihren Märkten gehören neben Deutschland die Niederlande, Dänemark, Großbritannien, die USA, Südkorea und Taiwan.

Aufwärtsspirale: Als nächstes kommen 15-MW-Anlagen

Bei der Technik setzt sich der Trend zu immer größeren Anlangen unterdessen fort. Die durchschnittliche Windturbine auf See hatte 2019 eine Leistung von 7,2 MW. Die Branche erwartet, dass der Durchschnitt bis 2025 auf 10 bis 12 MW anwächst. Die Technologie dazu ist schon da: Die 12 MW starke Turbine des Typs Haliade X 12 von GE Renewable Energy hat nach erfolgreichem Testbetrieb das vollständige Typenzertifikat DNV GL bekommen. Zudem gab der Hersteller bekannt, dass die Haliade X mittlerweile auch als 13- und 14-MWVersion erhältlich sei. Siemens Gamesa stellte im Mai 2020 die Anlage SG14-222 DD vor, die 14 MW Leistung erreichen soll (im Boost-Betrieb bis 15 MW) und 2024 auf den Markt kommt. Im Februar 2021 zog Vestas mit der V236 15.0MW nach. Der Prototyp der 15-MW-Anlage soll 2022 stehen. Polen will ins Offshore-Geschäft einsteigen, Dänemark plant künstliche Energie-Insel Europa hat 2020 trotz der Coronakrise 26,3 Milliarden Euro in Offshore-Windparks investiert, die in den nächsten Jahren einen Zubau von 7,1 GW Leistung zur Folge haben sollen. In der Nordsee plant Dänemark den Bau eines Riesenwindparks mit zunächst 200 Windrädern und 3 GW Leistung. Das Herz des Windparks, der später auf 10 GW ausgebaut werden soll, wird eine künstliche Insel bilden, auf der der Strom aus den Windrädern zusammenläuft. Dort ist zudem ein Kraftwerk zur Speicherung von Strom in Form von Wasserstoff geplant.

Der Strom des 28 Milliarden Euro teuren Projekts soll auch zu der Versorgung in Nachbarländern beitragen. Dänemark genehmigte den Bau der Energieinsel im Februar 2021, nur drei Monate nachdem das Land beschlossen hatte, die Suche nach Öl und Gas in seinen Nordseegewässern einzustellen.

Der dänische Umweltminister Dan Jørgensen nannte die Insel das größte Bauprojekt in der Geschichte seines Landes. Mehrheitseigentümer der Insel wird der dänische Staat sein, daneben werden Privatunternehmen beteiligt.

Ebenfalls ambitionierte Pläne hegt Polen – allerdings sind diese noch wenig konkret. Das Land, vor dessen Küste bislang noch keine Windräder stehen, will bis 2050 zu einem der größten europäischen Player im Offshore-Windmarkt werden. So sieht es eine gemeinsame Absichtserklärung vor, die im Sommer 2020 die polnische Regierung und die Windindustrie unterzeichneten – sozusagen die Geburtsurkunde der polnischen Offshore-Windkraft. In den nächsten zehn Jahren sollen Windparks mit 3,8 GW vor der Küste Polens entstehen, bis 2050 gar 28 GW. Das würde das Land, dessen Energiemix derzeit vor allem von Kohlestrom abhängig ist, seinen Klimazielen ein gutes Stück näher bringen.

Große Pläne in China und Vietnam

Der weltweite Ausbau der Offshore-Windindustrie wird zu einem großen Teil von den asiatischen Pazifikstaaten vorangetrieben. China allein wird in der kommenden Dekade nach Schätzungen des Global Wind Energy Council (GWEC) 52 GW an neuer Leistung auf See installieren. Großes Potential sehen Experten zudem in Vietnam. 2016 beschloss das bislang vor allem von fossiler Energie abhängige Land die Förderung Erneuerbarer Energien. 4,8 GW Windenergie sind bereits installiert, das meiste davon onshore. Die Unternehmensberatung Linklaters sieht zwar noch rechtliche und regulatorische Hürden auf dem Weg zum Offshore-Boom. Doch mit 3.000 Küstenkilometern und wettbewerbsfähigen Einspeisetarifen (derzeit 9,8 US-Cent pro kWh für Offshore-Strom) sind die Voraussetzungen in Vietnam günstig. Fünf Offshore-Projekte zwischen 100 MW und 3,4 GW stehen bereits in der Entwicklungsphase. Für Investoren interessant: Der vietnamesische Staat hat bislang keine Anteilsbegrenzung für ausländische Eigentümer festgelegt, 100-prozentige Beteiligungen internationaler Investoren sind also möglich.

Die neue US-Regierung hat große Hoffnungen in der Offshore-Windindustrie geweckt. Noch im Monat seiner Amtseinführung unterzeichnete Präsident Biden eine Anordnung, nach der die vor den US-Küsten installierte Leistung bis 2030 verdoppelt werden soll. Die Branche, die in den Jahren unter Trump vor allem von der Initiative einzelner Bundesstaaten abhängig war, sieht die Erklärung als Wegbereiter für Investitionen in Milliardenhöhe. Eine Verdopplung allerdings bedeutet im Fall der USA nicht allzu viel.

Das Land zählt zwar bei der Windkraft an Land mit China und Deutschland zur Spitzengruppe, doch vor den langen US-Küsten sind aktuell erst zwei Windparks am Netz. Dabei schätzt das National Renewable Energy Laboratory (NREL) das Windenergiepotential vor
den US-Küsten auf über 4.000 GW.

Schwimmende Windparks erschließen Potential bei Meerestiefen über 60 Metern

Seit Jahren arbeitet die Branche daran, durch schwimmende Windparks auch tiefere Seeregionen zu erschließen. In den letzten Jahren waren etwa vor Fukushima und der schottischen Küste Pilotanlagen errichtet worden, doch noch immer wartet die Branche auf den kommerziellen Durchbruch. Im vergangenen Jahr errichtete Portugal das Windfloat Atlantic Project, das aus drei 8,4-MW-Vestas-Windrädern besteht, die fertig montiert auf schwimmenden Plattformen 20 Kilometer vor die Küste geschleppt und im 100 Meter tiefen Meeresboden verankert wurden. Die 190-Meter-Türme sollen 17 Meter hohen Wellen standhalten, versichert der Betreiber Repsol.

Das Floating Wind-Pionierunternehmen Equinos ist jüngst eine Partnerschaft mit den Ölunternehmen Shell und Total eingegangen und plant bis 2022 den Bau des Hywind Tampen-Parks in der Nordsee. Der französische Versorger EDF will demnächst den schwimmenden Windpark Provence Grand mit 25 MW im Mittelmeer bauen. Und EnBW ist eine Partnerschaft mit dem Hersteller Aerodyn eingegangen, um die Entwicklung der schwimmenden Plattform Nezzy2 mit einem 15-MW-Zwillingsrotor voranzutreiben.

Einen 18 Meter hohen Prototyp im Maßstab 1:10 testen die Unternehmen seit Sommer 2020 in einem Baggersee bei Bremerhaven. Verlaufen die Tests positiv, wird ein chinesischer Partner hinzukommen, um einen Prototyp in voller Größe zu bauen.


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