Frau Hübner, Herr Pohl, Infraschall wird häufig von Windkraftgegnern als Argument gegen Windenergieanlagen angeführt. Eine von diesen viel-zitierte Studie der BGR wurde nun korrigiert: Infraschallpegel von Wind-energieanlagen sind deutlich geringer als bisher angenommen. Welche Auswirkungen hat das auf Antiwind-Bewegungen?
Prof. Dr. Gundula Hübner: Wir müssen unterscheiden zwischen Bürgerin-nen und Bürgern, in deren Umgebung ein Windpark gebaut wird und die Sorgen haben, dass es zu Geräuschwirkungen kommen kann; zwischen Befürwortern und Neutralen, und Gruppen überzeugter Windgegner. Für letztere war diese vermeintlich gesundheitliche Belastung durch Infra-schall ein starkes Argument. Was auch insofern nachvollziehbar ist, als es sich um Angaben einer Bundesbehörde handelte. Neuere Studien fanden dagegen keine relevanten Infraschall-Belastungen. Diese Ergebnisse wer-den nun durch die Korrektur der BGRStudie unterstützt.
Die Frage ist aber, ob Personen, die stark verankerte Überzeugungen generell gegen Windenergie haben, die neuen Erkenntnisse neutral wahrnehmen oder überhaupt akzeptieren können. Bei den Menschen, die Befürchtungen haben, kann ich mir jedoch vorstellen, dass vorhandene Sorgen erleichtert oder gemindert werden – wenn es richtig kommuniziert wird.
Dr. Johannes Pohl: Die Gegner werden sich vermutlich auf andere Argu-mente konzentrieren, auch im Bereich Infraschall, selbst wenn die nun neu vorgebrachten Erkenntnisse von der Mehrheit wahrgenommen werden. Die von Ihnen erwähnte Studie wird vielleicht nicht mehr in den Vordergrund gerückt, dafür andere unterstützende Schriften gesucht.
Tatsache ist, dass es im Bereich Infraschall noch zu wenige Studien gibt. Aus der mit uns durchgeführten TremAcStudie (siehe auch Artikel ab S. 30) können wir schließen, dass der Infraschallpegel, der bei Anwohnern ankommt, nicht ausreicht, um zu erklären, dass hier körperliche oder psychische Beschwerden auftreten. Andererseits kommt auch hörbarer Schall bei Anwohnern an und den kann man unter bestimmten Bedingun-gen mit Beschwerden in Verbindung bringen. Es gibt Personen, die sich zwar im Vorfeld Sorgen machen, später aber keine Auswirkungen spüren. Aber es gibt eben auch Personen, die reale Beschwerden haben, wenn der Park steht und in Betrieb ist. Beide Gruppen gilt es, ernst zu nehmen.
Welche Rolle spielte bislang Infraschall bei der Akzeptanz von Windenergieanlagen?
Hübner: Geräusche an sich sind ein großes Thema. Häufig wird aber nicht unterschieden zwischen nicht-hörbarem Infraschall und hörbaren Geräu-schen. Letztere werden dann schon als Problem gesehen und teilweise als Infraschall missgedeutet. Und: Geräusche sind das häufigste Thema, welches von Anwohnern als problematisch genannt wird, zusammen mit Veränderungen des Landschaftsbildes und Naturschutzbelangen.
Pohl: Das Thema Infraschall hat geschwankt in seiner Bedeutsamkeit. In den letzten Jahren hat es wieder an Bedeutung gewonnen. Windgegner hatten mit der Sorge um Infraschall eine Zeitlang ein Argument, weil die Datenlage bezogen auf wirkliche Messungen vor Ort bei den Anwohnern nicht gut war. Vermutungen – häufig abgeleitet aus Untersuchungen zu anderen Bereichen mit hohen Pegeln – wurden vorgebracht. So kam es zu einer Mischung aus berechtigten Fragen und überinterpretierten Befunden. Wenn Sie so einen diffusen Bereich haben, können leichter Ängste entstehen, weil viele Unsicherheiten da sind.
Aber die Datenlage ist in den letzten fünf Jahren viel besser geworden, auch international. Bislang liegen keine plausiblen Befunde oder Beweise vor, dass das Maß an Infraschall, der bei Anwohnern ankommt, zu Belästi-gungen oder zu Symptomen führt.
Wieso ist das Thema Infraschall im Bereich Windenergie so präsent?
Pohl: In der Arbeitswelt ist Infraschall ein wirkliches Thema. Da haben Sie zum Teil sehr hohe Pegel, wenn die Menschen lange Zeit nahe an Geräuschquellen wie bestimmten Maschinen, Pumpen o. ä. arbeiten. In diesen Arbeitsumfeldern ist es auch bekannt, dass entsprechende Sym ptome wie Schwindel, Konzentrationsstörungen, Gleichgewichts-störungen bis zu HerzKreislaufProblemen auftreten können. In diesem speziellen Umfeld kann Infraschall gesundheitlich schädigend sein.
Hübner: Und eben diese Erkenntnisse wurden dann von Gegnern auf die Windenergie übertragen: „Es gibt Infraschallpegel, die krank machen“. Das stimmt, Infraschall macht in einer bestimmten Dosierung und Dauer krank. Aber diese Erkenntnisse wurden nicht an die realen Pegel ange-passt, die bei Windenergieanlagen bestehen. Z. B. wurde nicht berück-sichtigt, dass eine Windenergieanlage deutlich weniger Infraschall abgibt als bestimmte andere Maschinen und Menschen nicht unmittelbar an ihr dran leben, sondern meist mehrere hundert Meter entfernt. Die Schluss-folgerungen aus Studien zu hohen Infraschallpegeln wurden also unzuläs-sig auf Windenergieanlagen übertragen – aus der Besorgnis vor wirklich relevanten Infraschallpegeln.
Welche Faktoren verbessern die Kommunikation mit Anwohnern bei Infraschall oder anderen kritischen Themen?
Hübner: In einer Studie von 2015 haben wir festgestellt, dass objektive Parameter wie Abstand, Anlagengröße, Anzahl der Anlagen …
Pohl: … und auch der Schalldruckpegel!
Hübner: … nur eine untergeordnete Rolle spielen, wenn es um die Be-lästigung bei Anwohnern von Windparks geht – sofern die Immissions-schutzwerte eingehalten werden. Die Hauptrolle spielte dagegen der Planungsprozess. Das lässt sich aus psychologischer Sicht erklären: Fühlen sich Menschen übergangen, nicht ernst genommen und unfair behandelt, entsteht Widerstand und Ärger.
Auch wenn psychologische Aspekte wichtig sind, heißt es aber nicht im Umkehrschluss, dass die Belästigung durch Windenergieanlagen bei Men-schen nur psychische Faktoren hat. Wir arbeiten in unserer Forschung interdisziplinär. Wir führen Messungen mit Ingenieuren durch, arbeiten mit Melde-Apps bei Anwohnern, mit der diese Vorkommnisse melden können, werten Betriebsdaten aus. Das ist das, was uns interessiert: Mit objektiven Daten ein gesamtheitliches Bild erstellen zu können.
Und das ist auch eine Antwort auf die Frage, wie man Akzeptanz vor Ort fördern kann: Windparkbetreiber müssen die Menschen vor Ort eng einbeziehen in den Planungsprozess von Windparks. Dazu gehören auch mögliche ökonomische Beteiligungsangebote, von denen viele profitieren können, durchaus auch verminderte Strompreise. Und die besten verfüg-baren Minderungsmaßnahmen von Immissionen sollten verbaut werden, wie bedarfsgerechte Befeuerung und Flügelhinterkantenprofile. Sollte es im laufenden Betrieb dennoch zu Belästigungen kommen, sind diese Probleme in Kooperation mit den Betroffen oft zu lösen, wie gute Beispiele zeigen. Das beste Mittel gegen Akzeptanzprobleme sind gemeinsame Lösungen.
Frau Hübner, Herr Pohl, vielen Dank für das Gespräch.
Dieser Text wurde erstmalig im BetreiberBrief 02/2021 veröffentlicht.
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