Ist es nicht an der Zeit einen Paradigmenwechsel einzuleiten und die Frage zu stellen: "Wieviel CO2-freien Strom brauchen Wirtschaft und private Haushalte und was bedeutet das für die Mindestausbaumengen in den Bundesländern?"

Höfken: Unser Ziel ist klar: Wir haben in unserem Klimaschutzgesetz 2014 gesetzlich verankert, dass wir bis 2050 weitgehend klimaneutral sein wollen - dies gilt für die Wirtschaft, den Mobilitätssektor und die Privathaushalte gleichermaßen.

Jede zweite erzeugte Kilowattstunde Strom ist bei uns aus Wind, Sonne, Wasser oder Biomasse. Das müssen wir weiter ausbauen und tun das mit dem Fokus auf Repowering sowie unserer Solar-Offensive auch bereits. Wir müssen unsere Ausbauziele jedoch auch überprüfen und vor allem schneller werden. Denn die Verfügbarkeit von Energie aus Sonne, Wind, Wasser und Biomasse ist ein Standortfaktor für die heimische Wirtschaft.

Beim Ausbau der Windenergie stehen wir zwar im Ländervergleich mit 20 neuen Windenergieanlagen und einer Leistung von rund 65 Megawatt im ersten Halbjahr 2020 gut da, aber vor sieben Jahren lag der Zubau noch annährend dreimal so hoch. Das zeigt: Wir brauchen dringend wieder eine deutliche Steigerung eines naturverträglichen Ausbaus.
Die Basis für eine klimaneutrale Zukunft ist Planungssicherheit und ein verlässlicher gesetzlicher Rahmen. Seit Jahren fordern wir von der Bundesregierung mit Nachdruck und zahlreichen Anträgen zum Beispiel, den Ausbaudeckel bei der Windenergie zu streichen und eine Regionalisierungskomponente einzuführen, um die Benachteiligung der südlichen Bundesländer endlich aufzuheben.

Wo sehen Sie die Flächenpotenziale für Windenergie in Rheinland-Pfalz?

Höfken: Mit einem Flächenziel allein lassen sich keine Energiepotenziale ableiten. Für eine gesicherte Stromversorgung brauchen wir ein Leistungsziel. Daher setzen wir in Rheinland-Pfalz auch stark auf Repowering, also den Austausch alter Windenergieanlagen durch neue, effiziente Modelle. Klar ist jedoch auch: Wir benötigen durchaus mehr Flächenausweisungen, um unsere Ausbauziele zu erreichen. Die kürzlich getroffene Bundeseinigung zeigt: Das Thema Abstand sollte im Hinblick auf die erfolgreiche Erfüllung von Schutzanforderungen auch in Rheinland-Pfalz flexibler gehandhabt werden. Schon allein durch die vom Bund festgestellte Bemessung des Abstands vom Mittelpunkt des Mastfußes ergibt sich mehr Spielraum in der genauen Standortplanung in den Windparks.

Gerade die letzten Dürresommer, der Rückgang der Grundwasserneubildung und die dramatischen Klimaschäden im Wald zeigen uns: Unsere Umwelt und unser Wald brauchen Erneuerbare Energien. Sie unterstützen uns dabei, den Klimawandel abzufedern, sodass heimische Tiere und Pflanzen weiterhin in unseren Breiten überleben können. Wir ziehen daher auch die durch Borkenkäferkalamität entwaldeten Waldgebiete als potentielle Windenergieflächen in Erwägung und sind bereits heute bei der Windenergie im Wald Vorreiter. Viele Wälder sind auf Flächen, an denen der Wind besonders stark weht. Zudem sind sie oft fernab von Wohngebieten. Das ist eine gute Voraussetzung für den Bau von Windrädern. Zumal wir im Entwicklungsplan (LEP) IV zwei Prozent der Waldfläche für die Windenergienutzung festgeschrieben haben.

Zudem wollen wir an unserem Ansatz festhalten, Infrastruktureinrichtungen im Außenbereich zu bündeln. Das kann etwa bedeuten, die Flächen entlang von Autobahnen oder Schienenstrecken für Erneuerbare Energien zu nutzen.

Strom aus erneuerbaren Energien ist ein Standortfaktor für ländliche Regionen. Wie wichtig sind regionale Wertschöpfungsketten für das Land und die Kommunen?

Höfken: Erneuerbare Energien sind ein wichtiger Standortfaktor und müssen vom Corona-Konjunkturpaket unbedingt aufgegriffen werden. Regionale Wertschöpfungsketten sind gerade für unsere ländlichen Regionen ein Schlüssel zum Erfolg - sowohl für die Energiewende als auch die lokale Wirtschaft. Der Ausbau der Erneuerbaren Energien findet vor allem auf dem Land statt, denn dort befinden sich die Standorte für die zum erfolgreichen Erreichen der Klimaziele so dringend notwendigen Windparks, Freiflächen-Photovoltaik- und Bioenergie-Anlagen sowie Sektorenkopplungsprojekte.

Daher profitieren gerade die Kommunen im ländlichen Raum von den monetären Effekten, wie etwa kommunale Steuereinnahmen, Pachteinnahmen oder Beschäftigungseffekte, die direkt mit Erneuerbaren-Energien-Anlagen verbundenen sind. Das Gute: Diese Gelder können Städte und Gemeinden in soziale Projekte oder die kommunale Infrastruktur reinvestieren oder wieder direkt für Energiewende- und Klimaschutzprojekte nutzen. So werden die Wertschöpfungseffekte verstetigt oder sogar noch gesteigert und gerade die Bürgerinnen und Bürger vor Ort können einen direkten Nutzen aus der Energiewende ziehen.

Sie profitieren jedoch nicht nur von der Entwicklung sondern sind laut dem Institut trend:research auch die mit Abstand wichtigsten Investoren für Erneuerbare-Energien-Anlagen. So besitzen Privatleute, wozu auch Energiegenossenschaften zählen, und Landwirte 42 Prozent der Erneuerbaren-Energien-Anlagen zur Stromerzeugung in Deutschland. Das alles zeigt: Klimaschutz und Energiewende rechnen sich gleich mehrfach - vor allem in den Regionen aber eben auch für das Land.


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