Wie schätzen Sie die aktuelle Situation der Energiewende in der Region Berlin/Brandenburg ein? Wo sehen Sie besondere Fortschritte – und wo vielleicht noch Herausforderungen, gerade im Hinblick auf die Integration von Erneuerbaren? Welche Impulse möchte ENERTRAG hier setzen, um die Region weiter voranzubringen?
Entscheidend für den weiteren Erfolg der Energiewende in Berlin und Brandenburg ist die Bestätigung der Klima- und Ausbauziele der neuen Landesregierung in Brandenburg nach der Wahl im vergangenen Herbst. Die Vorhaben zur Beschleunigung bei der Ausweisung neuer Flächen sowie der Genehmigung von EE-Anlagen durch die vergangene Ampelregierung haben zu einem erheblichen Genehmigungszuwachs in Brandenburg geführt. Das Tempo gilt es nun zu halten und die genehmigten Anlagen umzusetzen. Hier zeigen sich aktuell die größten Herausforderungen: Unzureichende Fertigungskapazitäten von Anlagen, Schwierigkeiten bei der Logistik der Großkomponenten sowie der anhaltende Fachkräftemangel verlangsamen einen möglichen Zubau. Zusätzlich ist der über Jahre versäumte Netzausbau weiterhin ein zentrales Thema.
Grundsätzlich bestätigen die Landesregierungen in Berlin und Brandenburg die Vorteile des Ausbaus der Erneuerbaren und die damit verbundenen Chancen (beispielsweise Ansiedelung von Industrie). Dennoch wird es spannend zu beobachten sein, wie beide Länder mit den Vorgaben der neuen Bundesregierung umgehen, die beispielsweise bei der Ausweisung der Flächenbedarfsziele nach 2027 bereits weniger engagierte Ziele formuliert haben. Die zentrale Frage wird sein: Werden Brandenburg und Berlin trotz des „geringeren Drucks“ aus der Bundesebene die Flächenausweisung weiter forcieren oder sich dem Tempo anpassen?
Parallel dazu wird es für Berlin und Brandenburg entscheidend sein, die notwendigen Maßnahmen zur systemdienlichen Anwendung des erneuerbaren Stroms voranzubringen. So muss beispielsweise die Planung und der Aufbau einer Wasserstoffinfrastruktur beschleunigt werden. Das Tempo des Ausbaus ist entscheidend für die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Industrie. Ähnlich verhält es sich bei der Gestaltung kommunaler Wärmenetze, die vielerorts noch in den Kinderschuhen stecken. Ein zentrales Thema des Branchentags ist die Flexibilisierung unserer Stromnetze und der Ausbau von Speichern.
Wie begegnen Sie diesen Herausforderungen? Welche Ansätze verfolgen Sie, um trotz voller Netze eine zuverlässige und erneuerbare Energieversorgung zu gewährleisten?
ENERTRAG arbeitet seit Gründung in dem Verständnis eines Kraftwerksbetreibers. Entsprechend forciert ENERTRAG seit Jahren den Ausbau von Verbundkraftwerken. Das ist ein regionaler Verbund der verschiedenen Bausteine Wind, Solar, Wasserstoff und Batterie, verbunden mit einem eigenen Verbundnetz. Ganz im Verständnis eines 100% erneuerbaren Kraftwerksbetriebs. Das erste dieser Art ist von ENERTRAG in seiner Gründungsregion Uckermark umgesetzt und hat die Leistung von knapp 1000 MW. Mit dem Betrieb eines 100% erneuerbaren Verbundkraftwerks beweist das Unternehmen die vollständige Versorgung, analog zu einem konventionellen Kraftwerk. Das Verbundkraftwerk kann stufenlos geregelt werden und produziert 24/7 Strom, je nach Auslegung zusätzlich auch Wasserstoff und Wärme.
Die Erfahrungen aus dem Betrieb des Verbundkraftwerks in der Uckermark setzt ENERTRAG deutschlandweit ein und plant an verschiedenen Standorten identische Kraftwerke zur Versorgung von Kommunen und Industrie. Die kommunale Wärmewende gilt als besonders anspruchsvoll – aber auch als besonders wirkungsvoll.
Welche Erfahrungen wurden bisher in der Zusammenarbeit mit Kommunen gesammelt, um nachhaltige Wärmelösungen umzusetzen? Und welche Rolle spielen dabei Verbundkraftwerke?
ENERTRAG erlebt bei seiner täglichen Arbeit dem Thema grundsätzlich aufgeschlossene Kommunen, die sich sehr über Unterstützung und Know-how freuen. Prinzipiell sind die Herausforderungen je Kommune jedoch sehr unterschiedlich, da sich die Voraussetzungen nie gleichen. Vielerorts sind Bürgermeister*innen im Ehrenamt bemüht, eine entsprechende Planung voranzutreiben, die aber aufgrund der Komplexität der Vorhaben bereits in der Frühphase scheitern. Die hohen Investitionsvolumen und die lange Planungs- und Entwicklungsdauer schrecken zusätzlich ab.
An dieser Stelle versucht ENERTRAG, eine wichtige Scharnierfunktion zu übernehmen, um sowohl die technischen Themen in praktische Vorhaben zu übersetzen als auch sich bei den Punkten Finanzierung und Umsetzung als langfristiger Partner zu etablieren. Wichtig für die Umsetzung von Erneuerbaren Wärmekonzepten ist die Verfügbarkeit von Erneuerbarem Strom. Neben der Nutzung eigener, für den Ausbau von Erneuerbaren Energien geeigneter kommunaler Flächen ist das Unternehmen bemüht, Gemeinden im Großraum eines Verbundkraftwerks unmittelbar mit zu integrieren. Die oben beschriebenen Vorteile eines Verbundkraftwerks mittels Abwärme oder günstigem Strombezug zur Umwandlung in Wärme sind für die Anrainerkommunen ein echter Gewinn. Neben dem Ausbau der Erneuerbaren- und Wasserstoffkapazitäten ist die Wärmewende das dritte zentrale Standbein in der Projektentwicklung bei ENERTRAG.