Andreas Hinsch, Partner in der Bremer Kanzlei Blanke Meier Evers, ist langjähriger Experte für Regenerativrecht. Als Referent spricht er auf der BWE-Konferenz zum Windenergierecht am 3. und 4. Juli in Hamburg.

Die Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Immissionsschutz (LAI) hat Hinweise zum Schallimmissionsschutz bei Windenergieanlagen erarbeitet. Berechnungen per Interimsverfahren wurden überprüft und bestätigt. Was ist rechtlich zu befürchten?

Waren die Sicherheitszuschläge im jeweiligen Bundesland groß, hat man keine Probleme mit der Neuregelung. Andreas Hinsch: Zu den neuen Hinweisen zum Schallimmissionsschutz bei Windenergieanlagen ist zunächst klarzustellen, dass das alte Berechnungsverfahren durchaus Schwächen hatte. Gerade bei größeren Abständen zwischen Windenergieanlage und Immissionsort kam es zur Unterschätzung der tatsächlich auftretenden Immissionen. Wenn man sich vor dem Hintergrund der abstrakten Frage stellt, was rechtlich zu befürchten ist, hängt das zunächst einmal von der Situation ab, in der man sich befindet.

Die Fragen sind je nachdem zu beantworten, ob es darum geht, eine Genehmigung zu erhalten, eine erteilte gegen Rechtsschutz Dritter zu verteidigen oder bei einer bestandskräftigen Genehmigung nachträgliche Eingriffe in den Betrieb zu vermeiden. Zudem ist auch zu beachten, in welchem Bundesland man sich befindet, weil auch die Auswirkungen des Berechnungsverfahrens insbesondere der Sicherheitszuschläge, die bislang im jeweiligen Bundesland angesetzt wurden, zu beachten sind. Wenn diese Zuschläge groß waren, hat man heute wohl keine Probleme.

Können bereits erteilte Genehmigungen angefochten werden?

Auf bestandskräftige Genehmigungen hat das neue Verfahren zunächst einmal keinen unmittelbaren Einfluss. Rechtsschutz gegen diese Genehmigungen ist ohne Weiteres nicht mehr möglich. Es gibt Ideen von Anwälten auf der betroffenen Seite, auch bestandskräftige Genehmigungen anzufechten, das sollte man aber nicht sehr ernst nehmen. Dabei muss man natürlich betrachten, dass eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung dynamischen Charakter hat und so auch nachträgliche Anordnungen für den Betreiber möglich sind. Ob und wieweit das gehen könnte, hängt auch immer von den Umständen des Einzelfalls ab. 

Welche Rolle spielen die Unsicherheitsfaktoren, die gemäß den LAI-Hinweisen zwischen 1,5 dB und 2,1 dB sein sollen?

Die Unsicherheitsfaktoren haben bei den neuen LAI-Hinweisen regelmäßig eine eher erfreuliche Funktion, denn sie sind in der Regel geringer als alles, was bislang an Unsicherheitsfaktoren in der Verwaltungspraxis der Länder angesetzt wurde. Hier kann es zum Beispiel dazu kommen, dass insbesondere im Nahbereich der Anlagen die Immissionswerte sogar sinken. 

Andreas Hinsch ist Rechtsexperte der Kanzlei Blanke Meier Evers in Bremen, spezialisiert auf erneuerbare Energien.

Wie kann man sich rechtlich wehren?

Dreh- und Angelpunkt ist die Frage, ob die LAI-Hinweise überhaupt rechtlich verbindlich geworden sind. Die allermeisten Bundesländer haben die Hinweise inzwischen ihrer Verwaltungspraxis zur Anwendung empfohlen beziehungsweise entsprechende Erlasse herausgegeben. Insoweit wird man insbesondere bei neuen Genehmigungsverfahren an der Anwendung zunächst nicht vorbeikommen. Man muss jedoch bedenken, dass – jedenfalls aus meiner Sicht – die Hinweise eine Abweichung von den Regelungen der TA Lärm bedeuten, was sich nur rechtfertigen würde, wenn es sich um verlässliche und allgemeingültige wissenschaftliche Erkenntnisse handelt. Ob das der Fall ist, erscheint mir sehr zweifelhaft. Wenn es nicht der Fall ist, wäre jede Maßnahme, die sich auf die Anwendung der LAI-Hinweise stützt, grundsätzlich rechtswidrig und man könnte Widerspruch gegen die behördlichen Maßnahmen einlegen. 

Lässt sich die Regelung nach LAI insgesamt anfechten? Wäre das sinnvoll?

Eine Anfechtung der Regelungen der LAI stellt sich nicht und ist auch nicht rechtsschutzeffizient; es wird ohnehin eine Reihe von Verfahren geben, in denen sich die Anwendung der Hinweise stellt und damit auch gerichtlich geklärt werden wird. 

Kann die Neuberechnung der Vorbelastung durch ältere Anlagen dazu führen, dass diese schalloptimiert laufen müssen?

Immer unter der Prämisse, dass die LAI-Hinweise wirklich gelten, ist so etwas jedenfalls nicht ausgeschlossen. Jedoch ist zu beachten, dass auch hier eine Reihe von Ermessensgesichtspunkten beachtet werden müssen und ein Eingriff in den Bestand sich rechtfertigen lassen muss. Ich wage hier mal eine Prognose: Allzu viele solche Eingriffe wird es nicht geben. Zudem muss sich die Behörde die Frage stellen, ob, bevor man so etwas tut, nicht auch Messungen der Schallimmissionen erforderlich sind, um eine angemessene Sachverhaltsbasis für den Eingriff zu gewinnen. 

Was wird uns die Richtlinie bescheren?

Die LAI-Hinweise sind in den meisten Ländern formell oder informell eingeführt und werden so für kommende Zulassungsverfahren beachtet. Bei Rechtsschutzverfahren, das heißt der Anfechtung der Genehmigung durch Dritte, dürfte das wegen des entscheidungserheblichen Zeitpunkts keine größere Relevanz haben. Dieser Zeitpunkt liegt bei der Erteilung der Genehmigung oder der letzten Behördenentscheidung. Hierzu gibt es schon einige gerichtliche Entscheidungen, die auch in diese Richtung gehen. Spannend wird, welche Rückwirkungen die Hinweise auf die Planung von Windenergieanlagen haben können.

Das Interview führte Nicole Weinhold, Chefredakteurin ERNEUERBARE ENERGIEN.