Für die technische Betriebsführung von Windenergieanlagen bringt das EEG 2017 einige neue Herausforderungen, insbesondere im Bereich der Betriebsdatenauswertung. Auch die Frage nach der richtigen Strategie der Betriebsführung ist neu zu stellen. Was sich mit der Novelle geändert hat, ist ein Thema des BWE-Seminars „Grundlagen Technische Betriebsführung von Windparks“ vom 7. bis 9. Mai in Berlin. Martin Strack, Leiter Energieertragsprognosen der Deutsche WindGuard Consulting GmbH, beschreibt im Interview mit SW&W neue Anforderungen aus dem EEG 2017.

Martin Strack leitet seit 2007 die Abteilung Energieertragsermittlung bei der Deutschen WindGuard Consulting. Er hat seine Erfahrung aus der Betriebsdatenbewertung in die Gremienarbeit der FGW einfließen lassen und an der Erstellung der TR10 maßgeblich mitgewirkt.

Herr Strack, Sie haben die Beratungen intensiv begleitet: Welche neuen Entwicklungen ergeben sich bei der Bestimmung des Standortertrags nach TR6?

Martin Strack: Eine Ertragsberechnung im Ausschreibungssystem sollte so realistisch und genau wie möglich sein, das ergibt sich aus dem Kostendruck, unter dem die Projekte stehen. Dies gilt auch für die technischen Verluste, die in der Ertragsprognose ausgewiesen werden:

Es sollte natürlich vermieden werden, dass schon aufgrund unrealistischer Verlustfaktoren eine spätere Korrektur wahrscheinlich wird. Weiterhin sind einige Vorgaben, die sich aus dem Gesetz ergeben, zu berücksichtigen, z.B. macht es wenig Sinn, für die Berechnung der Standortgüte eine andere Verfügbarkeit als 98 % anzunehmen.

Die Anforderungen wurden in dem Anhang C der TR6 vollständig beschrieben und werden eine allgemein höhere technische Expertise des Ertragsgutachters voraussetzen.

Im Ausschreibungsverfahren kommt den mit dem EEG 2017 eingeführten Korrekturfaktoren besondere Bedeutung zu: Sie sollen die Unterschiede in der Standortgüte ausgleichen. Wo liegen die Stärken dieses Modells, wo die Grenzen?

Eine Schwäche des Modells ist sicherlich, dass windschwache Standorte mit weniger als 80 % Standortgüte im Ausschreibungswettbewerb kaum Chancen haben, was sich ja auch in den Ergebnissen zeigt.

Die Regelungen zu den Korrekturfaktoren erscheinen zunächst kompliziert und etwas abschreckend.

Allerdings ist es eher das Ziel als die konkrete Ausgestaltung, was diese Komplexität ausmacht: Soll ein Ausgleich der Chancen zwischen windstarken und schwächeren Standorten erfolgen, um einer weiteren Konzentration der Windenergie in wenigen Landstrichen entgegenzuwirken, dann ist das nicht einfach, kann aber mit den eingeführten Korrekturfaktoren durchaus gelöst werden.

Da Mindererträge zu einer höheren Einspeisevergütung führen, musste die Politik Regeln für die Bewertung der Betriebsdaten aufstellen, um damit die Ursachen etwaiger Mindererträge zu differenzieren und – zumindest theoretisch mögliche – Mitnahmeeffekte auszuschließen. Eine Schwäche des Modells ist sicherlich, dass windschwache Standorte mit weniger als 80 % Standortgüte im Ausschreibungswettbewerb kaum Chancen haben, was sich ja auch in den Ergebnissen zeigt.

Verluste aus nicht standortbezogenen Ursachen sollen nicht ausgeglichen werden, fordert der Gesetzgeber. Wie komplex ist die Ermittlung des „fiktiven Ertrags“?

Berechnungen von Ertragsverlusten oder energetischer Verfügbarkeit sind grundsätzlich sehr komplex und bisher nicht durch Standardverfahren beschrieben. Viele Betriebsführer haben diese Aufgabe zwar gut gelöst, indem sie aufgrund von Erfahrungswerten sich z.B. auf Nachbaranlagen, die sehr ähnliche Erträge aufweisen, beziehen.

Soll man aber, so wie es das Gesetz fordert, ein Verfahren festlegen, welches für jedes beliebige Projekt anwendbar ist und zu einem vergleichbaren Ergebnis führt, unabhängig von dem, der es anwendet, dann wird es kompliziert.

Nach intensiver Diskussion dieser Anforderungen in den Gremien bei der FGW wurde ein Verfahren vorgeschlagen, welches diese Anforderungen erfüllt, was natürlich nicht ohne ein gewisses Maß an Komplexität möglich ist. Es wurde jedoch sehr viel Wert auf eine regelbasierte Vorgehensweise gelegt, die hochgradig automatisierbar ist.

Bei der Berechnung entgangener Erträge ist für Anlagen mit einer zeitlichen Verfügbarkeit oberhalb von 97 % eine vereinfachte Auswertung möglich. Welche Vorteile hat das?

Ich halte die Möglichkeit einer vereinfachten Auswertung für notwendig, habe mich dafür sehr dafür eingesetzt und freue mich, dass das so umgesetzt werden konnte. Da die Ermittlung der entgangenen Erträge grundsätzlich nicht einfach zu lösen ist, sollte man in den Fällen, in denen man leicht erkennen kann, dass es keine großen Probleme gibt, auch entsprechend vereinfacht vorgehen dürfen.

Das wird dadurch gelöst, dass in diesen Fällen die energetische und  zeitliche Verfügbarkeit gleich gesetzt wird, und so die aufwändige Berechnung der entgangenen Erträge gar nicht durchgeführt werden muss.

Die bisher verfügbaren Software-Lösungen für Windpark-Betriebsdaten erfüllen meiner Einschätzung nach nicht alle Anforderungen, und ich gehe davon aus, dass momentan daran gearbeitet wird, das für die Zukunft zu ändern.   

Betriebsdaten sind für den Zeitraum von 5 Jahren manipulationssicher zu speichern. Können Betreiber und Betriebsführer sich hier auf Standards und entsprechende Software-Lösungen stützen?

Es wurde in der Gremienarbeit deutlich, dass die Formulierungen im Gesetz durchaus interpretationsfähig sind, und vermutlich nicht vollständig durch technische Lösungen im Rahmen der TR10 abgedeckt werden können.

Es wurde jedoch Wert darauf gelegt, dass die Prozedur möglichst robust gegenüber eventuell fehlenden oder fehlerhaften Daten ist, so dass dadurch möglichst keine Vorteile erlangt werden können. Weiterhin ist eine Bestätigung des Betreibers über die Integrität der gelieferten Daten Bestandteil der Prozedur.

Insofern wurden alle Voraussetzungen dafür geschaffen, dass der Punkt „Datenintegrität“  später nicht zum Problem wird.

Trotzdem ist davon auszugehen, dass es später von Bedeutung sein wird, die rechtlichen Anforderungen möglichst eindeutig und rechtssicher zu erfüllen. Die bisher verfügbaren Software-Lösungen für Windpark-Betriebsdaten erfüllen meiner Einschätzung nach nicht alle Anforderungen, und ich gehe davon aus, dass momentan daran gearbeitet wird, das für die Zukunft zu ändern.   

In der Betriebspraxis führen Mehrerträge, die z.B. auf Upgrades beruhen, zu einer Anpassung des Korrekturfaktors. Wie ist hier der Diskussionsstand?

Dieser Punkt wurde im Rahmen der Gremienarbeit mit der Politik diskutiert. Zurzeit ist es so, dass eine Leistungssteigerung durch eine Upgrade nur dann nicht zu einer Verringerung der Einspeisevergütung führt, wenn die Anlage als eigener Typ mit Referenzertragskennlinie gewertet wird.

Es ist klar geworden, dass das die Rentabilität solcher Maßnahmen beeinträchtigen und somit innovationsfeindlich sein kann. Das BMWI ist sich des Problems bewusst und hat ein Aufgreifen dieses Punktes angekündigt. 

Das Interview führte Ralf Ossenbrink.