Enervis-Geschäftsführer Eckhard Kuhnhenne-Krausmann leitet am 14. März ein BWE-Praxistag zu den künftigen Ausschreibungen. Im Interview mit ERNEUERBARE ENERGIEN erklärt er vorab den Einfluss der Sonderausschreibungen auf Gebote. 

Wie werden sich die Sonderausschreibungen auswirken?

Eckhard Kuhnhenne-Krausmann: Zum einen gibt es die Bundesratsinitiative vom 2. Februar, die auch vor dem Hintergrund der Fadenrissvermeidung zwei Sonderausschreibungen für 2018 mit insgesamt. 1.400 Megawatt vorsieht. Konkret ist ein Plus von 450 Megawatt zum 1. August und ein Plus von 950 Megawatt zum 1. Oktober vorgesehen. Zum anderen gibt es den Koalitionsvertrag mit voraussichtlich jeweils 2.000 Megawatt 2019 und 2020 an Sonderausschreibungen für Onshorewind. Inwieweit hier alle Sonderausschreibungen zusammen zum Zuge kommen sollen oder eine Harmonisierung beziehungsweise Verrechnung von Bundesratsinitiative und Koalitionsvertragsmengen vorgenommen wird, werden die politischen Entwicklungen in den kommenden Wochen oder Monaten zeigen.

Aber natürlich sind die Sonderausschreibungen für die Branche und auch die Klimaschutzbemühungen absolut zu begrüßen. Zumal wir ja - offiziell bestätigt - die CO2-Minderungsziele für 2020 verfehlen werden. Die Branche war ja durch den starken Preisverfall und den Fadenriss aus den Auktionen 2017 bei der Zubauentwicklung enorm unter Druck geraten. Die Sonderausschreibungen lassen nun ein wenig durchatmen. Langweilig wird es dadurch jedoch nicht. „Spannende Entwicklungen bei dem Verhältnis von Angebots- zu Nachfragemenge.“

Was meinen Sie?

Wir hatten im vergangenen Jahr bescheidene BImSchG-Raten, vereinfacht rund 100 Megawatt im Monatsmittel. Das ist im Vergleich zu den früheren Jahren um den Faktor 2,5 bis 3 kleiner, selbst ohne Berücksichtigung des Boommonats Dezember 2016. Unsere Analysen zeigen aber auch, dass zurzeit zwar noch etliche Genehmigungsverfahren laufen, dass allerdings bei der Erteilungsrate wie im letzten Jahr sich bei gleichzeitigen signifikanten Sonderausschreibungsmengen spannende Entwicklungen bei dem Verhältnis von Angebotsmenge zu Nachfrage- menge abzeichnen könnten.

Jetzt ist für das Jahr 2017 festzuhalten, dass es für die Projektentwickler aufgrund der Bürgerenergieprivilegien keinen Anreiz gab, rasch BImSchG-Bescheide zu erlangen; diese wären ohnehin weitgehend wertlos gewesen. Mit der Pflicht zur BImSchG-Genehmigung in diesem Jahr und den zusätzlich geplanten Sonderausschreibungen ändert sich das. Die Sonderausschreiben sollten dabei wie die hingehaltene Möhre wirken – wir erwarten, dass mit dem Ausblick auf größere Ausschreibungsmengen tatsächlich wieder zusätzlicher Aufwand in die Erlangung von BImSchG-Bescheiden investiert wird und sich die Genehmigungszahlen erhöhen werden. 

Wie wird sich das Verhältnis von Angebot und Nachfrage entwickeln?

Wir gehen davon aus, dass sich mit den Sonderausschreibungen der Wettbewerbsdruck und damit das Verhältnis aus hohem Angebot und vergleichsweise geringer Nachfrage - teilweise und je nach Runde - entspannen dürfte. Es wird interessant, zu sehen, inwieweit die BImschG-Raten in den kommenden Monaten wieder zunehmen werden. Von heute auf morgen geht das nicht. 

Was heißt das?

Die genaue Ausgestaltung und die zeitliche Zuordnung der Sonderausschreibungen wird wichtig sein. Dabei wird es auch relevant werden, welche Flexibilitätsspielräume die Bundesnetzagentur erhalten wird bei der Zuordnung der Sonderausschreibungsmengen in den jeweiligen Auktionsrunden.

Diese Punkte in Verbindung mit dem gesetzten Anreiz werden massiven Einfluss haben. Im Koalitionsvertrag sind weitere Hinweise, die noch zu spezifizieren sind und die dann auch einen deutlichen Einfluss auf die Wettbewerbssituation haben. Auszugestalten sind insbesondere die Punkte bessere regionale Steuerung des Ausbaus und südlich des Netzengpasses einen Mindestanteil über alle Erzeugungsarten festlegen.

Was kann das bedeuten? Regionale Quoten? Verstärkte gemeinsame Ausschreibungen? Was bedeutet südlich des Netzengpasses? Es bleiben noch viele Ausgestaltungsspielräume, die zeitnah geklärt werden müssen. 

Von was für einer Preisentwicklung gehen Sie aus?

Das ist die Schlüsselfrage. Ich bitte Sie um Verständnis, dass ich mich hier in der Öffentlichkeit mit konkreten Zahlen zurückhalte. Diese Dinge behandeln wir in unseren Analysen und Studien.

Aber unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten sollte es aus zwei Gründen im Vergleich zum Vorjahr zu höheren Gebotspreisen kommen. Wir haben hier die Gestehungskosten aus der heutigen und damit teureren Turbinentechnik und der künftigen Windenergieanlagen-Technologie zu Grunde zu legen.

Und wir erwarten - unter gegenwärtigen Erkenntnissen - in Verbindung mit Sonderausschreibungen nicht mehr die starke Angebotsüberzeichnung wie im letzten Jahr. Insgesamt sollte daraus eine differenziertere Gebotspreiskurve entstehen, solange keine Knappheit eintritt. 

Haben Sie einen Tipp für die nächste Ausschreibungsrunde?

Aufgrund der vorgenannten Entwicklungen wird es für die Bieter wichtig, nicht nur auf die jeweils nächste anstehende Auktion zu schauen, sondern auch eine Einschätzung für die danach kommenden Auktionsrunden zu entwickeln.

Anders als im letzten Jahr, in dem klar war, dass ich immer eine deutliche Überzeichnung der Ausschreibungsmenge haben werde, dürfte in Ergänzung zu der vor einer Auktion vorliegenden Angebotssituation auch die Einschätzung der Mengensituation für die nächsten und übernächsten Auktionsrunden einen Einfluss auf das Gebots- verhalten in der kommenden Runde haben.

Diese Überlegungen sind in diesem Jahr neu. 65 PROZENT Erneuerbarenanteil bis 2030 als Groko-Ziel: Kuhnhenne-Krausmann hält das für ein gutes Signal.

Wie sieht Ihr Fazit zum Thema Ausschreibungen aus?

Nach dem Katzenjammer im vergangenen Jahr halte ich fest: Der Wegfall der BImschG-Privilegierung und die Sonderausschreibung(en) sind absolut positiv.

Ein verbindlich rechtlich zu definierendes 2030-Ziel mit einem auf 65 Prozent erhöhtem Erneuerbaren-Anteil ist langfristig ein gutes Signal. Die stärkere Marktorientierung der Erneuerbaren findet bereits heute Einzug in die Bewertung der Projekte - künftige Strompreiserlöse, die den Projektwert steigern können, könnten sich im Gebotspreisverhalten wiederfinden.

Die Branche befindet sich damit auf einem, auch von der Politik geforderten wettbewerblichen Weg. Diese Punkte verbunden mit einer Analyse der vergangenen Ausschreibungen werden wir bei unserer BWE-Veranstaltung Fahrplan Ausschreibungen 2018 am 14. März intensiv behandeln.

Wir möchten an dieser Stelle auch auf den Audio-Beitrag "Windenergie Ausschreibungen 2018 in Mitteldeutschland" von Eckhard Kuhnhenne-Krausmann hinweisen, den Sie hier anhören können: