Wie gehen Sie mit der Stickoxid-Debatte um?

Ulf Kämpfer: Ich glaube, den Schwung der Stickoxid-Debatte müssen wir nutzen, um überhaupt über Verkehr in Städten nachzudenken. 48 Millionen Pkw stehen 23 Stunden am Tag herum, dann fährt im Zweifel nur einer pro Auto.

Deswegen die Frage: Wie schaffen wir es insgesamt, einen umwelt- und menschenfreundlicheren Verkehr in die Städte zu kriegen?

Werden Elektrifizierung und Wasserstoff eine Rolle spielen?

Ja, in Deutschland kommen wir ja insgesamt von relativ niedrigem Niveau. Ausgelobt durch die Landesregierung wollen wir in Kiel Modellregion Elektromobilität werden – wobei damit saubere Mobilität insgesamt gemeint ist, also zum Beispiel auch Wasserstoff.

Wir schaffen in diesem Jahr 27 Hybridbusse an und dann ab 2019 die erste Marge Elektrobusse, die dann zum Standard werden sollen. Wir versuchen bei uns selbst als Stadt, Seehafen und so weiter, die Flotte möglichst schnell zu elektrifizieren und bei Hochschulen, Autohändlern, Stadtwerken eine Offenheit für Elektromobilität zu schaffen.

Wir investieren in die Ladeinfrastruktur, wollen das auch nicht als rein staatliches Projekt begreifen, sondern mit Akteuren prüfen: Was kann man zur Förderung der Elektromobilität beitragen?

„Wir müssen eine Stadtbahn bauen.“

Und Wasserstoff?

(lacht) Unsere in Kiel gebauten U-Boote fahren mit Brennstoffzelle – da sind wir in Kiel Vorreiter gewesen. Der Sprung auf andere Verkehrsmittel ist ja kaum irgendwo richtig gelungen.

Aber es ist zu früh, die Technologie abzuschreiben.

Sie haben die Citybusse erwähnt. Wie sieht es bei anderen städtischen Flotten aus?

Wir arbeiten teilweise mit Carsharing-Anbietern zusammen, auf die wir als Stadt zurückgreifen. Dort wird die elektro-mobile Flotte massiv aufgestockt. Und wir selbst nehmen jetzt, wann immer es geht, Hybrid- oder vollelektrische Fahrzeuge hinzu.

Das Spannende werden die großen Gerätschaften sein – Müllwagen, Lieferwagen. Für den städtischen Einsatz, wo ich 50 oder 100 Kilometer pro Tag fahre und dann auch wieder laden kann, ist Elektromobilität jetzt wirklich marktreif.

Gerade für öffentliche Flotten in Städten – bei der Post sieht man das gut – ist E-Mobilität das erste große Anwendungsfeld. Städte sind jetzt die ersten großen Labore für den breitflächigen Einsatz von E-Mobilität. Und da wollen wir künftig in Schleswig-Holstein Vorreiter sein.

Gibt es auch Ideen, weniger Verkehr stattfinden zu lassen?

Individuelle Mobilität wird immer wichtig bleiben. Und wir sind eine wachsende Stadt und Region, die wie viele Städte ein massives Wohnungsneubauproblem hat.

Das heißt, Pendlerströme wachsen momentan. Die wollen wir nicht aussperren, aber umleiten auf ÖPNV. Das wird das große Thema für die nächsten Jahrzehnte bleiben. Bisher haben wir ein reines Bussystem. Wir müssen eine Stadtbahn oder Regio-S-Bahn bauen. Man hat leider den Fehler gemacht, die Straßenbahn in den 80er-Jahren abzuklemmen.

Das sind ja voll elektrisch fahrende Systeme. Die Umlandvernetzung des ÖPNV muss verbessert werden, weil da fast alle im Moment noch auf den privaten Pkw setzen. Da liegt ein großes Potenzial, was auch unsere Klimaschutzstrategien klar herausgearbeitet haben.

Für die Verkehrsbewältigung, für weniger Lärm, weniger Luftverschmutzung und die Klimabilanz brauchen wir eine massive Verlagerung von Individualverkehr mit Verbrennungsmotoren auf Fahrrad, Fußweg, ÖPNV, Carsharing.