Dieses Jahr wird die Landesregierung in Brandenburg ihre Energiestrategie 2040 vorlegen. Worauf kommt es darin an?

Jens Christen: Im Jahr 2050 werden wir in einem vollständig erneuerbaren Energie- und Wirtschaftssystem leben. Ein Selbstläufer wird das jedoch auch in Brandenburg nicht. Es wird nicht reichen, bis zum Jahr 2030 10,5 Gigawatt Windenergie in Brandenburg zu installieren. Das selbstgesteckte Ziel ist deutlich zu niedrig, um den steigenden Strombedarf durch die Umstellung von Industrie, Verkehr und Wärmeerzeugung auf CO2-freie Technologien zu decken.
Außerdem hat sich die Bundesregierung am Mittwoch (5. Mai 2021, Anm. d. Red.) darauf geeinigt, über die Forderungen der Bundesverfassungsrichter hinauszugehen und das deutsche Treibhausgasreduktionsziel für 2030 auf 65 Prozent zu erhöhen. Das heißt natürlich für Brandenburg, auch in seiner Energiestrategie die Ausbauziele für erneuerbare Energien anzupassen. Die Landesregierung wird ohne deutliche Verbesserungen der Ausbausituation aber bereits das Ziel von 10,5 Gigawatt bis 2030 verpassen.

Was kann die Landesregierung denn für mehr erneuerbare Energien in Brandenburg tun?

Jens Christen: Die problematische Planungs- und Genehmigungssituation von Windenergieanlagen in Deutschland ist allseits bekannt. Brandenburg darf sich jedoch nicht hinter der Bundesregierung verstecken, sondern sollte sowohl im Rahmen der Umweltministerkonferenz als auch auf Landesebene Verantwortung übernehmen und selbst handeln. Mit der Energiestrategie 2040, der Neuaufstellung aller fünf Regionalpläne und der Überarbeitung des Windkrafterlasses stehen aktuell gleich drei Türen in Brandenburg offen, um wieder voranzukommen. Dabei sollte Potsdam zusichern, mindestens 2 Prozent der Landesfläche als Windeignungsgebiete auszuweisen. Und für eine sinnvolle Flächenausweisung wird ein einheitlicher, landesweiter Kriterienkatalog nötig sein. Wenn Gemeinden darüber hinaus auf eigene Initiative Windenergieanlagen bauen wollen, sollten sie von der übergeordneten Flächenplanung und bestimmten Kriterien abweichen dürfen.

Welche Rolle spielt Repowering für den Ausbau erneuerbarer Energien in Brandenburg?

Jens Christen: In Brandenburg endet bis zum Jahr 2025 für rund 1.760 Anlagen mit 2,4 Gigawatt Leistung die EEG-Vergütung. Davon sind bereits 500 Megawatt in diesem und nächstem Jahr betroffen. Um den Rückbau von ausgeförderten Windenergieanlagen zu kompensieren, brauchen wir dringend Repowering. Etablierte Standorte können durch neue Anlagen, die auf der gleichen Fläche bis zu sechsmal mehr Strom erzeugen, viel effizienter genutzt werden. Zweidrittel der Anlagen in Brandenburg können in der aktuellen Rechtslage jedoch nicht durch neue ersetzt werden. Dadurch gehen bestehende Windstandorte verloren, während gleichzeitig die Suche nach neuen geeigneten Flächen an enge Grenzen stößt. Einfach gesagt: je mehr Anlagen in Brandenburg erneuert werden können, desto weniger neue Flächen müssen gefunden werden. Deshalb ist es jetzt so wichtig, auf bundespolitischer Ebene Repowering zu erleichtern. Aber auch mit Erleichterungen werden rund ein Drittel der Anlagen am gleichen Standort nicht ersetzt werden können. Um den Rückbau dieser Anlagen auszugleichen, muss Brandenburg deshalb für den Erhalt bestehender und die Ausweisung weiterer Fläche sorgen.

Parallel zur Energiestrategie arbeitet das Wirtschaftsministerium in Potsdam aktuell an der Wasserstoff-Roadmap und der Wasserstoffstrategie. Welche Rolle spielt Wasserstoff für Brandenburgs Wirtschaft?

Jens Christen: Erneuerbare Stromproduktion und grüner Wasserstoff sind die tragenden Säulen einer zukunftsfähigen Wirtschaft. Grüner Wasserstoff ist der einzige sinnvolle Energiespeicher, um die natürlichen Erzeugungsschwankungen bei Wind und PV auszugleichen und eine zuverlässige Energieversorgung nicht nur an der Steckdose zu sorgen. Um zum Beispiel CO2-frei Stahl herzustellen, führt kein Weg an grünem Wasserstoff vorbei. Will Brandenburg seine Wirtschaft bis 2050 vollständig dekarbonisieren, müssen Industrieunternehmen jetzt Investitionsentscheidungen treffen, mit denen sie ihre gesamten Produktions- Wertschöpfungsketten auf neue Füße stellen. Dafür sind gezielte Infrastrukturmaßnahmen und finanzielle Sicherheiten für Unternehmen wichtig. Aber ganz entscheidend für die Zukunft der Industrie in Brandenburg wird der konsequente Ausbau von Wind- und PV-Energie sein. Brandenburg hat als windiges und sonniges Flächenland einen großen Standortvorteil, um die energieintensive Industrie vor Ort mit grünem Wasserstoff zu versorgen und neue Unternehmen nach Brandenburg zu ziehen. Den Vorteil muss die Landesregierung aber auch nutzen, indem sie dafür sorgt, dass genug erneuerbarer Strom in Brandenburg zur Wasserstoffelektrolyse entsteht. Deshalb ist es so wichtig, dass Wirtschafts-, Umwelt- und Innenministerium gemeinsam an einer natur- und sozialverträglichen Energiewirtschaft in Brandenburg arbeiten.

 


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