Herr Dr. Lehnert, Können Sie uns kurz zusammenfassen, was aus Ihrer Sicht die wichtigsten Änderungen sind, auf die sich Anlagenbetreiber einstellen müssen?

Dr. Wieland Lehnert: Die Änderungen im Hinblick auf Erneuerbare Energien betreffen hauptsächlich Netzthemen. Ziel der Novelle ist es, den Prozess und die Abwicklung des Netzanschlusses zu erleichtern und zu beschleunigen.

Zwei Elemente sind besonders hervorzuheben: Erstens wird es eine Regelung geben, die die Reservierung von Leistungskapazitäten gesetzlich verankert. Diese Praxis wurde bislang bereits umgesetzt und von der Rechtsprechung anerkannt, soll nun aber durch klare gesetzliche Regeln gestützt werden.

Der wahrscheinlich wichtigere Punkt in der Praxis ist die Einführung einer Regelung zu unverbindlichen Netzanfragen bei den Netzbetreibern. Anlagenbetreiber erhalten zukünftig das Recht, bei Netzbetreibern auch ohne ein konkretes Projekt anzufragen, ob ein Netzanschluss in einem bestimmten Bereich möglich ist. Dies erleichtert die Planung von Projekten im Vorfeld erheblich. Zusätzlich enthält die Novelle eine Reihe weiterer Änderungen, etwa die Digitalisierung des Netzanschlussverfahrens, das Energy Sharing und kleinere Klarstellungen im EEG bezüglich Vergütungsfragen.

Wie beurteilen Sie diese neuen Regelungen? Glauben Sie, dass sie das Potenzial haben, entscheidende Hürden beim bisherigen Ausbau zu beseitigen und den Ausbau nachhaltig voranzutreiben?

Dr. Wieland Lehnert: Die Regelung zu den Netzanschluss-Anfragen ist meiner Meinung nach ein sehr wichtiges Element, um den Planungsprozess und letztlich auch die Umsetzung eines Projektes zu erleichtern und zu beschleunigen. Auch die weiteren Punkte, wie die Digitalisierung und die Reservierung von Kapazitäten, sind wichtige Bausteine, die für Projektierer und Anlagenbetreiber Erleichterungen bringen können. Diese Maßnahmen sind hilfreich, aber gleichzeitig wohl nicht so bedeutend, dass sie einen grundlegenden Paradigmenwechsel im Netzanschluss mit sich bringen werden.

Wo sehen Sie denn noch Nachbesserungsbedarf? Bzw. wo hat man es vielleicht versäumt, jetzt auch schon entscheidende Weichen zu stellen? Können Sie da vielleicht ein Beispiel nennen?

Dr. Wieland Lehnert: Ein intensiv diskutiertes Thema in der Branche ist die sogenannte Überbauung von Netzanschlüssen, bei der Netzanschlüsse gemeinsam für Windenergie- und Solarstromprojekte genutzt werden können. Dazu gab es einen Vorschlag aus der Branche, der im bisherigen Gesetzentwurf noch nicht enthalten ist. Dieser Punkt ist jedoch sehr wichtig. Wir haben Signale erhalten, dass dieser Vorschlag tatsächlich umgesetzt werden soll. Es ist ein gutes Zeichen, dass in diesem Bereich etwas passiert. Ich bin gespannt, wie dieser Vorschlag konkret aussieht und ob er tatsächlich das Potenzial hat, dringend benötigte Verbesserungen zu bringen.

Ihre Kanzlei hat viel Erfahrung in dieser Thematik und steht im direkten Austausch mit den Unternehmen der Branche. Wie wird die Novelle aufgenommen? Sind die Änderungen ausreichend oder hätte man sich mehr gewünscht?

Dr. Wieland Lehnert: Es ist positiv, dass wichtige Themen vor allem zum Netzanschluss durch die Novelle nun angegangen werden. Es gibt jedoch auch eine Reihe von Punkten, die noch fehlen. Ein aktuelles Thema, das uns in der Beratung viel beschäftigt, ist die Industriestrom-Belieferung über Direktleitungen. Hier gibt es verschiedene Rechtsunsicherheiten im EEG und EnWG, die beseitigt werden müssen. Diese sorgen in der Praxis für Unsicherheiten, und es wäre sehr hilfreich, wenn auch diese Punkte, die unter anderem vom BWE angemahnt wurden, noch in die Novelle aufgenommen werden könnten.


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