Der Ausbau der Windenergie an Land ist ein zentraler Baustein der Energiewende in Deutschland. Damit Flächeneigentümer*innen die benötigen Flächen bereitstellen, werden ihnen von Projektentwicklungsunternehmen Nutzungsverträge mit attraktiven wirtschaftlichen Konditionen angeboten. Auch der Wettbewerb um Flächen hat zu steigenden Angeboten geführt. Werden Flächen für Windenergie genutzt, können Eigentümer*innen beträchtlich höhere Erträge als bei einer reinen land- und forstwirtschaftlichen Nutzung erzielen. Der gleichlautende Ländererlass macht nun aber deutlich, dass sich dies künftig auch auf die Steuerhöhe im Erbschafts- und Schenkungsfall auswirkt.
Neuregelung: Steuerzahlungen orientiert sich an Höhe der Nutzungsentgelte
Doch eins nach dem anderen. Grundsätzlich gilt: Land- und forstwirtschaftlich genutzte Flächen sind im Erbfall und bei Schenkungen „begünstigtes Vermögen“. Dieses ist bis zu 100 Prozent steuerfrei vererb- oder verschenkbar. So soll die Hofübergabe an die nächste Generation gesichert werden. Und selbst wenn diese Steuerbefreiung in einzelnen Fällen nicht greift, profitieren Eigentümer*innen jedenfalls noch von einer vergleichsweisen niedrigen Bewertung von land- und forstwirtschaftlichen Flächen. Entsprechend gering ist auch in diesen Fällen die Steuerlast.
Anders ist die Situation, wenn auf land- und forstwirtschaftlichen Flächen Windenergieanlagen errichtet werden. Der gleichlautende Ländererlass stellt nun klar, dass die für die Windenergieanlagen genutzten Flächen umqualifiziert werden, d.h. es greifen nicht mehr die Sonderregelungen für land- und forstwirtschaftliche Flächen, sondern die üblichen Regelungen zur Erbschafts- und Schenkungssteuer mit den regulären gesetzlichen Freibeträgen und Steuersätzen zwischen 7 und 30 Prozent.
Zusätzlich trifft der Ländererlass Regelungen zur Bewertung der Grundstücke; haben Kommunen oder Länder keine spezifischen Werte für die Ermittlung des Wertes der Grundstücke festgelegt, orientiert sich die Bewertung an den vereinbarten Nutzungsentgelten. Diese werden, ähnlich den bereits seit Längerem in Anwendung befindlichen Regelungen für vermietete Immobilien, kapitalisiert. Abhängig von der Höhe der Nutzungsentgelte steigt die Steuerlast deutlich von wenigen hundert Euro auf vier- bis sechsstellige Beträge für Flächen mit einem Windenergiestandort.
Zwei Beispielrechnungen zeigen dies eindrücklich:
- Zunächst das Beispiel aus dem gleichlautenden Ländererlass: Liegt das jährliche Nutzungsentgelt bei 6.000 Euro und der Bodenwert bei 7.500 Euro, hat das Grundstück einen Grundbesitzwert von rund 71.000 Euro. Die Erbschaftssteuer liegt ohne Berücksichtigung von Freibeträgen dann bei einem Steuersatz von sieben Prozent bei knapp 5.000 Euro.
- Beträgt das jährliche Nutzungsentgelt 200.000 Euro, hat das Grundstück bei gleich hohem Bodenwert einen Grundbesitzwert von knapp 2.300.000 Euro. Die Erbschaftssteuer liegt ohne Berücksichtigung von Freibeträgen dann bei einem Steuersatz von 19 Prozent bei rund 435.000 Euro. Zur Erhöhung des Steuersatzes gegenüber den sieben Prozent im ersten Beispiel kommt es aufgrund des gestiegenen Grundbesitzwertes: Mit ihm steigt auch das zu vererbende bzw. zu verschenkende Vermögen, was wiederum Einfluss auf die Höhe des Steuersatzes hat.
Offene Fragen: Umfang und Zeitpunkt der Umqualifizierung
Offen ist der konkrete Umfang und der Zeitpunkt der Umqualifizierung der Flächen. Zum Umfang: In der Regel wird es um die Standfläche des Turms und weiterer Betriebsvorrichtungen, die Kranstellfläche und die Zuwegung gehen. Nur die tatsächlich für eine Windenergieanlage genutzte Fläche wird bei der Besteuerung herangezogen, wobei hier für Details die Interpretation der Finanzämter abzuwarten bleibt. Letztendlich bleiben die Nutzungsentgelte der entscheidende Faktor für die Steuerbelastung, der Umfang der umqualifizierten Fläche spielt nur eine Nebenrolle.
Mehr Auswirkungen wird möglicherweise der Zeitpunkt der Umqualifizierung haben, zu dem sich der gleichlautende Ländererlass nicht äußert. Das Bewertungsgesetz stellt auf eine „hinreichende Wahrscheinlichkeit einer Nutzungsänderung in absehbarer Zeit“ ab. Dies könnte bedeuten, dass das Finanzamt im Erb- oder Schenkungsfall bereits in der Zeit nach Vertragsschluss aber noch vor dem Betriebsbeginn der Windenergieanlage(n) eine Umqualifizierung der Fläche vornimmt. Dann besteht das Risiko, dass eine hohe Steuerzahlung anfällt, bevor überhaupt Zahlungen an die Eigentümer*innen fließen.
Minderung der Steuerlast nur begrenzt möglich
Grundsätzlich ist der Erlass nicht dazu geeignet, Klarheit zu schaffen und eindeutige Regelungen aufzuzeigen. Heute kann man davon ausgehen, dass Steuerbescheide, die auf der Grundlage des Erlasses ergehen werden, in einem langjährigen Rechtsbehelfsverfahren münden. Ob der Erlass in einigen Jahren vor dem Bundesfinanzhof Bestand haben wird, scheint zweifelhaft. Leider hilft das den Eigentümer*innen und Projektentwicklungsunternehmen in der aktuellen Lage nur wenig. Es gilt nun für alle damit umzugehen und Nutzungsverträge dennoch zu ermöglichen.
Aufgeschreckt durch Veröffentlichungen und Hinweise von Verbänden und Berater*innen werden bereits verschiedene steuerrechtliche, meist komplexe mitunternehmerische gesellschaftsrechtliche Gestaltungen diskutiert. Die in den letzten Jahren im Solarbereich entwickelten Ansätze zu Kleinstbeteiligungen werden auf Windenergieprojekte übertragen. Andere Ansätze versuchen die Wirkung des Erlasses dadurch zu mindern, dass in den Nutzungsverträgen zwischen dem Nutzungsentgelt für Stand-orte für Windenergieanlage und weiteren Entgelten für andere Nutzungsflächen unterschieden wird. Möglich sind auch Finanzierungsangebote durch Projektentwicklungsunternehmen für Steuerzahlungen, die bereits vor Beginn der regulären Zahlungen der Nutzungsentgelte festgesetzt werden. Solche Zahlungen könnten mit später fälligen Zahlungen von Nutzungsentgelten verrechnet werden.
Fazit
Die Finanzbehörden der Länder haben sich auf eine Neuregelung bei der Berechnung der Erbschafts- und Schenkungssteuer geeinigt. Sie wird künftig höher ausfallen – wobei die Steuerlast zu mindern in den meisten Fällen nur begrenzt möglich sein wird. Die steuerliche Belastung ist für die Flächeneigentümer*innen aber kalkulierbar. Risikoreich könnte sein, dass Flächeneigentümer*innen im Erb- oder Schenkungsfall noch vor der Inbetriebnahme eines Windparks, also noch bevor Nutzungsentgelten fließen, Erbschafts- oder Schenkungssteuer zahlen müssen. Es wird darauf ankommen, trotz der Unsicherheit praktikable Lösungen für Projektentwicklungsunternehmen und Flächeneigentümer*innen zu entwickeln.
Dieser Beitrag erschien im BWE-BerteiberBrief 4-2024.
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