Stillstand kostet – und wird teurer

Die Wirtschaftlichkeit von Windkraftanlagen hängt entscheidend von der Zuverlässigkeit mechanischer Schlüsselkomponenten ab. Besonders kostspielig sind ungeplante Stillstände durch Schäden an Hauptlagern oder Getrieben. Sie verursachen nicht nur hohe Reparaturkosten, sondern auch lange Ausfallzeiten in der Energieproduktion – mit entsprechendem Ertragsverlust.

Angesichts steigender Anforderungen an Verfügbarkeit und Lebensdauer des Antriebsstrangs, gewinnen tribologische Optimierungsstrategien zunehmend an Bedeutung. Moderne Schmierstoffsysteme zeigen Potenziale auf, nicht nur Reibung und Verschleiß zu mindern, sondern auch Schadensmechanismen wie die sog. White Etching Cracks (WECs) gezielt zu beeinflussen.

Was sind White Etching Cracks – und warum sind sie so kritisch?

WECs sind netzartige Rissbildungen, die sich unterhalb der Laufoberflächen von Wälzlagern bilden. In der metallografischen Analyse erscheinen diese Zonen nach Ätzung als „weiß geätzt“ – ein Hinweis auf feinste Gefügeveränderungen im Stahl.

Die Ursachen dieser Schäden sind vielfältig. WECs entstehen nicht durch klassische Ermüdung allein, sondern aus einem komplexen Zusammenspiel von hohen dynamischen Belastungen, Schwingungen und Mikrobewegungen, lokalen Erwärmungen, elektrischen Entladungen (z. B. durch Lagerströme) und gegebenenfalls ungeeigneten schmierstoffadditiven oder Ölalterung.

Einmal entstanden, breiten sich diese Risse schnell aus und führen zu Materialausbrüchen (Spalling). Besonders in stark belasteten Hauptlagern von Windkraftanlagen gelten WECs heute als eine der häufigsten Schadensursachen.

Praxisbeispiel: WEC-Test unter Laborbedingungen

In einem tribologischen Test auf einem Drei-Scheiben-Prüfstand bei Ingram Tribology in UK wurden WEC-Schädigungen unter definierten Bedingungen simuliert:

  • Last: 500 N
  • Gleitgeschwindigkeit: 3,4 m/s
  • Schlupf (SRR): 30 Prozent
  • Temperatur: 100 °C

3-Scheiben-Prüfstand: Kontaktzyklen, bis Spalling aufgetreten ist. Vergleich zwischen Standard-Öl und Öl mit Additiv. (Grafik: REWITEC)

3-Scheiben-Prüfstand: Kontaktzyklen, bis Spalling aufgetreten ist. Vergleich zwischen Standard-Öl und Öl mit Additiv. (Grafik: Rewitec GmbH)

Dabei zeigte sich, dass das Referenzöl bereits nach 8,4 Stunden zur Ausbildung von Abplatzern (Spalling) führte: Dagegen konnte die Zugabe eines tribologisch wirksamen Additivs die Testdauer auf mindestens 200 Stunden verlängern. Der Test wurde danach manuell abgebrochen, ohne dass ein Schaden eintrat.

3-Scheiben-Prüfstand: Reibungskoeffizient über den Testverlauf. Vergleich zwischen Standard-Öl und Öl mit Additiv. (Grafik: REWITEC)

3-Scheiben-Prüfstand: Reibungskoeffizient über den Testverlauf. Vergleich zwischen Standard-Öl und Öl mit Additiv. (Grafik: Rewitec GmbH)

Zudem wurde eine spürbare Reduktion der Reibung von ca. 25 Prozent festgestellt – ein klarer Hinweis auf geringere Spannungen im Kontaktbereich und potenziell niedrigere Rissneigung.

Metalloberfläche am 3-Scheiben-Prüfstand mit Standard-Öl nach 8,4 Stunden und 9,4 Millionen Kontaktzyklen:

Metalloberfläche am 3-Scheiben-Prüfstand mit Standard-Öl nach 8,4 Stunden und 9,4 Millionen Kontaktzyklen. (Rewitec GmbH)
(Rewitec GmbH)

Metalloberfläche am 3-Scheiben-Prüfstand mit Standard-Öl + Additiv nach 200 Betriebsstunden und 213 Millionen Kontaktzyklen:

Metalloberfläche am 3-Scheiben-Prüfstand mit Standard-Öl + Additiv nach 200 Betriebsstunden und 213 Millionen Kontaktzyklen. (Rewitec GmbH)
(Rewitec GmbH)

WEC-Prävention durch gezielte Schmierstoffoptimierung

Die Ergebnisse zeigen, dass tribologische Anpassungen erheblich zur Oberflächenstabilisierung beitragen können. Eine gezielte Additivierung bildet auf belasteten Laufbahnen eine schützende Schicht, die die Reibung reduziert, Temperaturspitzen abmildert und die Mikrotopografie glättet.

Gleichzeitig können diese Schichten als Barriere gegen elektrisch induzierte Lagerströme wirken – mit dämpfendem Effekt auf elektrische Erosion und pittingartige Schäden. Für Betreiber bedeutet das: eine signifikant geringere Wahrscheinlichkeit für WEC-bedingte Ausfälle – besonders wichtig bei schwer zugänglichen Anlagen oder im Offshore-Bereich.

Weniger Reibung – mehr Betriebsstunden

Die kombinierte Wirkung auf Reibung, Verschleiß und Temperatur ermöglicht eine nachhaltige Verlängerung der Bauteillebensdauer. Glattere Oberflächen (z. B. bis zu 30 Prozent weniger Rauheit), geringere Mikropittingbildung und ein stabilerer Lauf der Komponenten tragen dazu bei, Wartungsintervalle zu verlängern und Ausfallrisiken zu senken.

In konkreten Zahlen: Eine Reduktion der Reibung um bis zu 35 Prozent konnte unter praxisnahen Bedingungen auf einem 3-Scheiben-Prüfstand an der Hochschule Mannheim nachgewiesen werden – das spart Energie, schützt Komponenten und erhöht die Gesamtverfügbarkeit.

Kosten senken durch Lebensdauerverlängerung

Die wirtschaftlichen Vorteile liegen auf der Hand: Jedes vermiedene Lagerversagen spart Ersatzteile, Personaleinsatz und Ausfallzeit. 250.000‑300.000 Euro sind die durchschnittlichen Kosten für den Ersatz eines Getriebes oder Hauptlagers einer 3 MW-Anlage. Besonders bei älteren Anlagen, bei denen größere Investitionen nicht mehr wirtschaftlich sinnvoll sind, ermöglicht die tribologische Optimierung eine kosteneffiziente Lebensdauerverlängerung – ohne mechanische Umbauten.

Auch vorgeschädigte Lager profitieren: Die Glättung vorhandener Oberflächen kann das Fortschreiten bestehender Mikroschäden verlangsamen und so kritische Ausfälle verhindern.

Fazit: Wartung neu denken

White Etching Cracks gehören zu den komplexesten Herausforderungen in der Lagertechnik moderner Windenergieanlagen. Ihr multifaktorieller Ursprung macht eine direkte Kontrolle schwierig – umso wichtiger sind präventive Maßnahmen auf Systemebene.

Die gezielte tribologische Optimierung des Schmierstoffsystems bietet hier einen vielversprechenden Hebel. Sie reduziert nicht nur Reibung und Verschleiß, sondern schützt gezielt vor der Entstehung und Ausbreitung von WECs. Das Ergebnis: höhere Betriebssicherheit, geringere Kosten und ein längerer Lebenszyklus.

Dieser Beitrag erschien im BWE-BerteiberBrief 2-2025.


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