Die Liste der offenen Fragen, die für das Windprojektgeschäft unmittelbar einschlägig sind, ließe sich leicht verlängern. Diese vielen brennenden Themen dürfen aber nicht den Blick auf die langfristig orientierten Weichenstellungen verstellen.

Rechtsrahmen nicht mehr sachgerecht

Wir haben uns im Pariser Klimaschutzabkommen dazu verpflichtet, den Temperaturanstieg auf deutlich unter 2 Grad, möglichst auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen – ein ambitioniertes Vorhaben. Das neue 65-Prozent-Erneuerbare-Ziel der Bundesregierung ist mit Sicherheit ein Schritt in die richtige Richtung.

Der beschleunigte Ausbau ist allerdings nur eine zwingende, aber keine hinreichende Bedingung für die Energiewende. Er erhöht den Druck weiter, den Ordnungsrahmen der Energiemärkte neu auszurichten, indem die fluktuierende Energie konsequent in den Mittelpunkt gestellt wird.

Die hohe installierte Leistung trifft auf Netze, die nicht mehr den gesamten Strom aufnehmen können.

Diese Weichenstellungen sind letztlich der Schlüssel zum Erfolg der Energiewende. Gerade in Schleswig-Holstein zeigt sich, dass der heutige Rechtsrahmen nicht mehr sachgerecht ist: Weil der Ausbau der Netze nun noch länger auf sich warten lassen wird, können wir schon heute Phänomene beobachten, die in einem Erneuerbaren-System alltäglich sein werden:

Die hohe installierte Leistung trifft auf Netze, die nicht den gesamten Strom aufnehmen können. Vielleicht verschärft sogar das jüngst von der EU-Kommission gegen Tennet eröffnete Verfahren wegen unzureichender Öffnung der Grenzkuppelstellen noch die Engpasssituation.

Doch kann dies bedeuten, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien eine Pause machen soll? Das wäre nur dann überhaupt eine logische Schlussfolgerung, wenn der Ausbau schon ein Niveau erreicht hätte, das den Anforderungen von Versorgungssicherheit und Klimaschutz genügen würde, und der „Abtransport“ des Stroms die einzige Nutzungsmöglichkeit wäre.

Aber es ginge auch anders, wenn vor dem Netzengpass zusätzliche Anwendungen – sei es im Wärme- oder Verkehrsbereich, aber auch in der Industrie – eröffnet würden. Vorschläge für (Zwischen-)Lösungen liegen vor, die Nutzung des „Überschussstroms“ in Zeiten von Netzengpässen könnte relativ einfach und ohne Zusatzkosten oder Umverteilungseffekte umgesetzt werden.

Zusammen mit dem Fraunhofer ISI haben wir von der Stiftung Umweltenergierecht schon Anfang 2016 ein entsprechendes Modell im Auftrag des MELUND ausgearbeitet. Der Frage, wie die vielen Stellschrauben neu justiert werden müssen, müssen wir – Praxis, Politik und Wissenschaft – mehr Aufmerksamkeit widmen, auch wenn andere Fragen zeitlich drängender zu sein scheinen.

Mit NEW 4.0 und vielen anderen Aktivitäten in Schleswig-Holstein wird die Suche nach neuen Wegen engagiert vorangetrieben und es können weitere Anstöße für die Weichenstellung im Rechtsrahmen entstehen. 

Ein Kommentar von Thorsten Müller, wissenschaftlicher Leiter der Stiftung Umweltenergierecht.