An diesem Tag gab es eine deutliche Abweichung zwischen der tatsächlichen Stromproduktion durch Solaranlagen und den Prognosen, die auf Grundlage der Wettervorhersage erstellt worden waren. In der Region verzeichnete man ein Defizit von mehreren Gigawattstunden gegenüber den Prognosen (Abb. 1), was bei der Stabilität des Stromnetzes für Herausforderungen sorgte.

Aber warum kam es zu diesen unerwarteten Wetterbedingungen und der damit einhergehenden Reduktion der Solarstromproduktion?

Die Antwort könnte in einem Phänomen liegen, das immer wieder unsere Atmosphäre beeinflusst: Saharastaub.

Am Karfreitag 2024 erreichte eine Staubwolke aus der Sahara Südwestdeutschland und veränderte die atmosphärischen Bedingungen signifikant (Abb. 2). Saharastaub, der von Winden über das Mittelmeer nach Europa getragen wird, kann den Himmel trüben und die direkte Sonnenstrahlung, die die Erdoberfläche erreicht, drastisch reduzieren. Zusätzlich wirken die Aerosole auf Wolkenbildung, indem sie die Anzahl der Kondensationskeime erhöhen und Wolken langlebiger und dichter machen. Diese Aerosol-Wolken-Wechselwirkungen verstärken die Abschirmung der Sonnenstrahlung. Hinzu kommt, dass sich der Staub auf den Solarpanels absetzt, was deren Leistung weiter beeinträchtigte. Die Folge: weniger Sonnenenergie, die von den Solarpanels in Strom umgewandelt werden kann.

Der Saharastaub am Karfreitag 2024 ist jedoch nicht das einzige Beispiel für solche Ereignisse in Deutschland und Mitteleuropa. Tatsächlich können wir bis zu 50 Tage pro Jahr mit Saharastaub in der Atmosphäre erleben, von denen etwa 5–10 Tage bemerkenswerte Auswirkungen auf die Photovoltaik-Stromerzeugung haben. Solche Staubausbrüche sind wiederkehrende Phänomene, die nicht nur die Wetterbedingungen, sondern auch die Energieerzeugung beeinflussen.

 

Numerische Wettervorhersagemodelle weisen systematische Fehler auf

Die Bedeutung zuverlässiger Vorhersagen der einfallenden Solarstrahlung wächst rapide, insbesondere für Länder wie Deutschland, die einen steigenden Anteil an der Photovoltaik-Stromerzeugung haben. Die Zuverlässigkeit solcher Vorhersagen hängt maßgeblich von der Darstellung von Wolken und Aerosolpartikeln ab, die Strahlung absorbieren und streuen. Vor allem bei extremen Aerosolbedingungen weisen numerische Wettervorhersagemodelle systematische Fehler auf. Diese sind darauf zurückzuführen, dass gängige Modelle meist klimatische Mittelwerte für die Aerosolwirkung auf Strahlung verwenden und homogene Aerosolkonzentrationen für die Wolkenbildung annehmen. In den letzten acht Jahren hat die Forschung erhebliche Fortschritte im Verständnis dieser Wechselwirkungen und deren Modellierung gemacht.

 

Integration des Staubeffekts in das Wettervorhersagemodell ICON-ART verbesserte PV-Leistungsprognosen

In enger Zusammenarbeit zwischen dem Deutschen Wetterdienst, dem Karlsruher Institut für Technologie und Meteocontrol wurde im Rahmen zweier Forschungsprojekte (PerduS, PermaStrom, gefördert vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz) ein Vorhersagesystem (ICON-ART) entwickelt, dass die Verteilung des Staubs und dessen Wechselwirkung mit der Strahlung prognostiziert. Dieses Vorhersagesystem läuft seit dem Frühjahr 2024 beim Deutschen Wetterdienst operationell.1

Eine Studie zum Saharastaubausbruch am 4. April 2014 in Deutschland zeigte, dass die Integration des Staubeffekts in das deutsche Wettervorhersagemodell ICON-ART zu einer Verbesserung der PV-Leistungsprognosen führte. Die Studie quantifizierte auch die Aerosol-Strahlungs- und Aerosol-Wolken-Wechselwirkungen des Saharastaubs. Dabei machten die Aerosol-Strahlungs-Wechselwirkungen Prozent, die Aerosol-Wolken-Wechselwirkungen 20 Prozent und die synergistischen Wechselwirkungen 16 Prozent der Unterschiede zwischen der Vorhersage mit und ohne Berücksichtigung der Staubeffekte aus.

 

Präziseres Modell kann Ausgleichszahlungen für die Netzbetreiber reduzieren

Starke Saharastaub-Ausbrüche in Europa sind häufig mit ausgedehnten, optisch dicken Cirrocumulus-Schichten verbunden, die als „Dusty Cirrus“ bezeichnet werden. Da die heutigen globalen numerischen Wettervorhersagemodelle weder Mineralstaubverteilungen vorhersagen noch die Wechselwirkung von Staub mit der Wolkenmikrophysik berücksichtigen, können sie dieses Phänomen nicht simulieren. Um diese Einschränkung zu überwinden, wird eine entsprechende Sub-Gitter-Parametrisierung vorgeschlagen und im ICON-ART getestet. Nur mit Hilfe dieser Parametrisierung ist ICON-ART in der Lage, die Bildung der staubigen Cirren zu simulieren, was zu erheblichen Verbesserungen bei der Bewölkung und den Strahlungsflüssen im Vergleich zu Simulationen ohne diese Parametrisierung führt. Eine statistische Bewertung über sechs Saharastaub-Ausbrüche mit und ohne beobachtete „Dusty Cirrus“ zeigt robuste Verbesserungen bei den Wolken- und Strahlungskennzahlen. Zum Beispiel werden während der Saharastaub-Ausbrüche im März 2022 der Bias und der Fehler in der Strahlungsprognose um 50–81 Prozent bzw. 29–46 Prozent reduziert (Abb. 3). Dies führt zu einer Reduzierung der Ausgleichszahlungen für die Netzbetreiber in Deutschland um etwa 12–18 Prozent.

Diese Studien zeigen, wie regionale atmosphärische Phänomene wie die Saharastaub-Ausbrüche lokale Wetterverhältnisse und die Energieerzeugung beeinflussen können. In einer Zeit, in der erneuerbare Energien eine immer größere Rolle bei der Energieversorgung spielen, ist es umso wichtiger, die Aerosol-Strahlungs- und Aerosol-Wolken-Wechselwirkungen
in Operationelle Wettervorhersage sowie in die Prognose von Energieerzeugungssystemen einzubeziehen. Dies führt zu genaueren Wettervorhersagen, die nicht nur bei der Planung von Wochenendausflügen wie am Karfreitag 2024 hilfreich sind, sondern auch entscheidend für das Management des Stromnetzes.

 

Über den Autor

Dr. Gholam Ali Hoshyaripour ist Gruppenleiter am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Er hat an der Universität Hamburg in Erdsystemwissenschaften promoviert und arbeitet seit 2017 in enger Kooperation mit dem Deutschen Wetterdienst (DWD) an der Weiterentwicklung des ICON-ARTModells am KIT.

Dieser Beitrag erschien im BWE PV-BetreiberBrief 2-2024.

 


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