Wer Strom produziert, zahlt häufig drauf. Acht Prozent des von Onshore-Anlagen 2024 erzeugten Windstroms wurden mit Minus-Preisen ins Netz eingespeist. Bei der Photovoltaik ist die Situation noch dramatischer, hat Agora Energiewende errechnet. Hier fielen im vergangenen Jahr sogar 19 Prozent der Erzeugung in Zeiten mit negativen Preisen am Day-Ahead-Markt. Das ist ausgesprochen ärgerlich für die Erzeuger erneuerbarer Energien. Gerade in jenen Zeiten mit üppigen Solar- oder Windstrom werden die Marktpreise immer schlechter, und in Stunden mit negativen Preisen gibt es auch keine Marktprämie mehr. Jede Kilowattstunde, die Anlagenbetreiber zeitversetzt einspeisen, kann folglich bessere Erlöse erzielen. Was dazu gebraucht wird: die passenden Speicher.

Der Energiekonzern EnBW probiert dafür das Prinzip Co-Location aus: Neben die Windräder wird ein Speicher gebaut, so wie am Windpark Häusern im südlichen Hochschwarzwald. Von den beiden Windturbinen dort, die zusammen 6,9 Megawatt Nennleistung erreichen, können bis zu 2,2 Megawatt in den Speicher abgezweigt werden. Der hat eine Kapazität von 4,5 Megawattstunden, ist bei maximaler Ladeleistung also nach rund zwei Stunden voll. Diese Relationen machen bereits deutlich, dass das Ziel des Speichers nicht darin besteht, den Windstrom einer stürmischen Wetterlage in die Flaute zu retten. Es geht alleine darum, den Strom zeitversetzt einzuspeisen, um damit die Erlöse im Tagesverlauf zu optimieren.

Übers Jahr betrachtet nehmen etwa zehn Prozent des erzeugten Windstroms der beiden Anlagen den Umweg über den Speicher. Komplexe Algorithmen optimieren das Ein- und Ausspeichern des Strom auf Basis der Marktsignale.

„Wir verkaufen den Strom am Intradaymarkt“,

sagt EnBW-Projektmanager Lennart Deist. Auf diese Weise soll sich die Investition in den Speicher, deren Höhe EnBW nicht benennt, betriebswirtschaftlich rechnen.

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Grüner trifft grauen Strom

Der Speicher darf allerdings alleine den vor Ort anfallenden Windstrom zwischenspeichern. Was verboten ist: Strom bei niedrigen Börsenpreisen aus dem Netz aufzunehmen, um ihn bei höheren Marktpreisen wieder abzugeben. Formale Hürden stehen dem entgegen: Der Windstrom und der sogenannte Graustrom aus dem Netz würden sich im Speicher vermischen, was aufgrund der Vergütungsregeln des Erneuerbare-Energien-Gesetzes bislang nicht passieren darf.

Doch in dieses Thema kommt Bewegung. Wenn die Bundesnetzagentur im kommenden Jahr ein Konzept zur gleichzeitigen Bewirtschaftung von Grün- und Graustromspeichern vorstelle, könne es interessant werden, sagt Klaas Bauermann, Marktexperte bei Statkraft Markets. Dann ergäben sich zusätzliche Möglichkeiten, sowohl für die Betreiber der Batteriespeicher als auch für Unternehmen, die über PPAs (Power Purchase Agreements) versorgt werden. Mit einem passenden Messkonzept ließen sich Grün- und Graustrom getrennt abrechnen.

Schneller als die Regulatorik setzt sich eine Erkenntnis in der Branche durch: Die Betreiber von fluktuierenden Erzeugern kommen an der Integration von Speichern kaum mehr vorbei. Andernfalls wird der Betrieb der Anlagen durch die oft hochkorrelierte Erzeugung im deutschen Anlagenpark – als Kannibalisierung bezeichnet – wirtschaftlich immer unattraktiver.

Photovoltaik als Vorbild

Bei der Photovoltaik sei die Speicherung wegen der „extremen Gleichzeitigkeit der Produktion“ zwar noch wichtiger als beim Wind, sagt Magnus Schauf vom Energiehandel der BayWa Re. Deshalb gehört bei großen PV-Anlagen ein Batteriespeicher heute fast zwingend dazu. Doch auch bei Windkraftanlagen werde ein Puffer vor Ort für den erzeugten Strom immer wichtiger:

„Die übliche Auslegung ist dann ähnlich wie heute bei der Photovoltaik, also bei etwa zwei bis drei Volllaststunden Speicherkapazität.“

Baywa Re habe bei der Stromvermarktung ein „Multimarket-Modell“ gewählt, sagt Schauf. Man biete zum einen Primär- und Sekundärregelleistung an, agiere am Day-ahead- und Intraday-Markt und bediene gegebenenfalls auch den Regelarbeitsmarkt. Komplexe Algorithmen versuchen den Handel zu optimieren, wobei Wetterdaten inzwischen die entscheidenden Parameter sind.

Einen Tag vorausschauen

Im deutschen Regelenergiemarkt sind die fluktuierenden Erneuerbaren noch Exoten, doch in den Niederlanden gebe es bereits gute Erfahrung mit negativer Regelleistung bei Offshore-Windkraft, sagt Mark Lindenberg, Geschäftsführer des Vermarkters Next Kraftwerke. Im Nachbarland liegt der Fokus stärker auf den Großhandelsmärkten, vor allem dem Day-ahead-Markt.

Anders sieht es bei Graustromspeichern aus. Hier haben im vergangenen Jahr Primär- und Sekundärregelleistung zwischen 60 und 70 Prozent der Erlöse ausgemacht. Verkäufe über Day-ahead und Intraday erreichten jeweils nur rund 15 bis 20 Prozent. Daher sei eine Präqualifizierung der Anlagen für den Regelenergiemarkt für Graustromspeicher „in jeden Fall attraktiv“ sagt Klaas Bauermann von Statkraft Markets. Für Grünstromspeicher hänge dies vom Einzelfall ab.

Am Ende ist bei der Vermarktung von Erneuerbaren und Speichern auch immer etwas Spekulation dabei. BayWa-Vermarkter Magnus Schauf nennt ein Beispiel: So könne es für einen Windpark attraktiv sein, am vortägigen Markt auch zu leicht negativen Preisen Strom anzubieten in der Hoffnung, im Moment der Erfüllung durch Abgabe negativer Regelarbeit (also durch Abschaltung oder Drosselung der Anlagen) Mehrerlöse zu erzielen.

Blindleistung als Markt

Ein neuer Markt, bei dem Speicherkapazitäten gefragt sind, entsteht gerade für Blindleistung. Teilnehmen können allerdings nur Stromerzeuger oder Speicher, die mindestens ins Hoch- und Höchstspannungsnetz (ab 110 Kilovolt) einspeisen. Im Sommer 2024 hat die Bundesnetzagentur ein entsprechendes Beschaffungskonzept definiert für die „transparente, diskriminierungsfreie und marktgestützte Beschaffung der nicht frequenzgebundenen Systemdienstleistung“ – was konkret die Blindleistung meint.

So könnten künftig auch Betreiber großer Photovoltaik- und Windparks mit Batteriespeichern durch den Verkauf von Blindleistung Zusatzeinnahmen generieren. Die Erzeugung von Blindleistung ist technisch durch den Zugriff auf die Steuerung des Frequenzumrichters der Erzeugungsanlage möglich. Die ersten Ausschreibungen der Übertragungsnetzbetreiber sind 2025 gestartet.

Virtuelle Trägheit

Weitere Märkte für Systemdienstleistungen können und müssen entstehen, wenn die erneuerbaren Energien die volle Systemverantwortung irgendwann alleine tragen sollen. Dazu zählt auch die Bereitstellung synthetischer Trägheit, mitunter auch als „virtuelle Trägheit“ bezeichnet. Großkraftwerke bieten diese Form der Frequenzstabilisierung durch ihre rotierenden Massen – auch Momentanreserve genannt – aus physikalischen Gründen von ganz alleine an.

In einem von Erzeugungsanlagen mit Umrichtertechnik dominierten Stromsystem muss diese Trägheit hingegen nachgebildet werden, was Batterien aufgrund ihrer kurzen Reaktionszeit leisten können. Sie können also helfen, die Netzfrequenz möglichst exakt bei 50 Hertz zu halten. Kurzfristige Abweichungen bis 49,8 oder 50,2 Hertz gelten als maximal tolerierbar.

Zu einem weiteren Markt der Zukunft könnte sich die Dienstleistung der Schwarzstartfähigkeit entwickeln. Damit bezeichnet man die Fähigkeit eines Kraftwerks, autark ohne externe Stromzufuhr wieder hochzufahren. Im Fall eines größeren Stromausfalls werden Kraftwerke dieser Art benötigt, um die Stromversorgung wiederherzustellen. Im Januar 2024 haben alle vier Übertragungsnetzbetreiber für erste Regionen erstmals Verfahren für die Beschaffung der Systemdienstleistung „Schwarzstartfähigkeit“ eröffnet. Bis daraus für die Betreiber von Windkraft- oder Photovoltaikanlagen mit Speichern Erlösmodelle werden, wird es allerdings wohl noch etwas dauern.

Dieser Text ist ein Auszug aus dem aktuellen Branchenreport, den Sie kostenlos lesen oder downloaden können.


 

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