Zum Januar 2021 ist erstmals die EEG-Einspeisevergütung für viele Windenergieanlagen ausgelaufen. Nach 20 Jahren Festvergütung betrifft das alle Anlagen, die im Jahr 2000 oder früher in Betrieb gegangen sind: - Bundesweit geht es um etwa 3.800 Megawatt (MW) installierter Leistung. In den kommenden Jahren fallen jedes Jahr weiter zwischen 2.000 und 3.000 MW aus der EEG-Vergütung.
Bei Anlagen, die nicht repowert werden können, steht die Frage nach dem Weiterbetrieb im Raum. Entweder mit einem Direktvermarktungsvertrag oder mit der Anschlussförderung, die die Bundesregierung kurz vor knapp im Dezember 2020 beschlossen hat (zur Anschlussförderung siehe Artikel „Mehr Motivation für neue Flächen“). Zwar ist eine Anschlussförderung per se eine gute Idee, die angesetzte Höhe ist jedoch mit maximal 1 Cent pro KWh zu niedrig bemessen. „Bei den aktuellen Strompreisen dürfte das für die meisten Betreiber knapp am Existenzminimum liegen“, schätzt Wolf Stötzel, Fachreferent Technik beim BWE. Betroffen seien damit besonders die Pioniere der Windenergie, die sich von der Politik im Stich gelassen fühlen. Die Anschlussförderung endet Ende 2021, soll aber durch zusätzliche Ausschreibungen für Altanlagen ergänzt werden. 2021 soll deren Volumen bei 1,5 Gigawatt (GW) liegen, 2022 bei 1 GW. Teilnahmeberechtigt sind Anlagen, bei denen planungsrechtlich ein Repowering nicht möglich ist. Der Höchstwert der Ausschreibungen wird zwischen 3 ct/kWh bis max. 3,8 ct/kWh festgelegt.
Direktvermarkter sehen Erholung der Strompreise
Daneben werben Direktvermarkter um die Altanlagenbetreiber. So wie Naturstrom: Der Ökostrom-Anbieter hat Ü20- Anlagen mit insgesamt 185 MW unter Vertrag genommen, die meisten davon im letzten Quartal 2020. Naturstrom liefert den Strom direkt an seine Haushaltskunden, der grüne Herkunftsnachweis ist für die Kunden besonders attraktiv. „Derzeit entwickeln sich die Börsenpreise für Strom stabil oder sie steigen sogar leicht an. Deswegen sind wir optimistisch, dass wir Betreiberinnen und Betreibern auch weiterhin attraktive Angebote machen können“, so Oliver Hummel, Vorstand bei Naturstrom. Somit scheint man knapp am Massen-Aus der Altanlagen vorbeigekommen zu sein. „Hätte der Corona-Einbruch bei den Börsenpreisen ein halbes Jahr später stattgefunden oder hätte er länger gedauert, wären im Markt kaum wirtschaftliche Angebote für den Weiterbetrieb möglich gewesen“, sagt Hummel. „Viele Betreiberinnen und Betreiber hätten ihre Altanlagen wohl abschalten müssen.“
Auch bei Statkraft rechnet man mit einer Erholung an der Strombörse und günstigen Bedingungen für PPAs (Power Purchase Agreements). Neben der Aussicht auf die CoronaImpfstoffe führt das Unternehmen als Begründung die gestiegenen CO2-Preise an. Bis Ende 2020 hatte der Direktvermarkter ausgeförderte Windräder mit einer Leistung von 202,5 MW unter Vertrag genommen, im ersten Quartal 2021 kamen weitere 26,6 MW hinzu. Die durchschnittliche Laufzeit der Verträge betrage drei Jahre, Anlagenbetreiber müssten bei Abschluss Standsicherheitsgutachten vorlegen.
In einer Umfrage des Branchenblattes E&M gaben fast alle Direktvermarkter an, Post-EEG-Anlagen in ihr Portfolio aufgenommen zu haben. Bei drei Unternehmen waren es den eigenen Angaben zufolge sogar über 250 MW: Baywa Re/ Clens, Engie und Quadra Energy. Und neben Statkraft und Naturstrom haben mit Ane Energy, MVV Trading sowie Verbund Energy4 drei weitere Direktvermarkter angegeben, bis Ende 2020 100 bis 250 MW unter Vertrag genommen zu haben. Attraktiv sind die Altanlagen auch für direkte PPAs mit Industriekunden. So hat Statkraft zwei PPAs mit Daimler geschlossen, eines davon ausschließlich mit ausgeförderten Ü20-Anlagen. „Direktvermarkter suchen händeringend nach Betreibern für Industriekunden-PPAs“, erklärt auch Stötzel. Die Schwierigkeit sei hier, dass Industriekunden sich in der Regel schon ein bis zwei Jahre im Voraus eindecken. Für Anbieter, die jetzt ihren Strom verkaufen wollen, bietet dies also keine Möglichkeiten mehr. „Das ist eine Option für Betreiber, die wissen, dass sie in den nächsten beiden Jahren aus der Förderung fallen“, so Stötzel weiter.
Standort entscheidet über Marktwert
Ob sich eine Anlage für den Weiterbetrieb eignet, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Von den Anlagen, deren Förderung in diesem Jahr endete, hatten ca. 75 Prozent eine Nennleistung von unter 1 MW. Laut einer Umfrage der FA Wind benötigen Betreiber von Anlagen unter 1 MW im Schnitt 4,6 ct/ kWh für einen wirtschaftlichen Betrieb, wobei die Spannbreite in dieser Gruppe besonders groß ist. „Allgemein lässt sich sagen: Für Anlagen unter 500 bis 600 KW wird es sehr schwierig. Die Wartungskosten werden dann einfach zu hoch“, meint Stötzel. Wenn eine Großkomponente wie das Getriebe beschädigt ist, lohne sich der Weiterbetrieb in der Regel nicht mehr. Entscheidend ist auch, welchen Marktwert die Anlage hat. „Bei Wind geht es um die Standorte. Eine Anlage im Mittelgebirge in Bayern hat einen besseren Wert als eine Anlage in Norddeutschland“, erklärt Stötzel. Die Anlage sollte also Strom liefern, wenn der Preis an der Börse hoch ist.
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