Dieser Artikel stellt unter Ziffer 1 dar, welche rechtlichen Auswirkungen diese Unsicherheiten für den Nutzungsvertrag haben und zeigt unter Ziffer 2 einen möglichen Lösungsansatz. In Ziffer 3 setzt sich der Artikel mit Kritik an der vorgeschlagenen Lösung auseinander.
1. Der Nutzungsvertrag – Bekannt und bewährt?
Nachdem die Rechtsnatur branchenüblicher Nutzungsverträge längere Zeit umstritten war, werden sie inzwischen nahezu einheitlich als gewerbliche Mietverträge angesehen[1]. Auf gewerbliche Mietverträge über Grundstücke sind die allgemeinen Vorschriften des Mietrechts gem. §§ 535 ff. BGB anwendbar sowie gem. § 578 Abs. 1 BGB ausgewählte Vorschriften des Wohnraummietrechts (§ 550 BGB [Schriftform] und § 566 BGB [Kauf bricht nicht Miete]). Während die beiden zuletzt genannten Vorschriften inzwischen in der Branche bekannt sind, trifft dies auf die allgemeinen Regelungen des Mietrechts häufig nicht zu. Dadurch kommt es immer wieder zu Fehleinschätzungen branchenüblicher Vertragsklauseln. Konkret:
- Gewerbliche Mietverträge sind vertragliche Schuldverhältnisse, die darauf gerichtet sind, gegen Entgelt den Gebrauch von Mietobjekten zu gewähren, § 535 BGB[2].
- Die Hauptleistungspflicht des Vermieters (= Grundstückseigentümer) besteht in der Gebrauchsüberlassung des Mietobjekts (= Grundstück) in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand, § 535 Abs. 1 S. 1 BGB. Vereinbaren die Parteien als Nutzungszweck die Errichtung und den Betrieb von EE-Anlagen, muss das Grundstück uneingeschränkt für diesen Gebrauch geeignet sein[3]. Der Errichtung und dem Betrieb der EE-Anlagen dürfen „keine privatrechtlichen oder öffentlich-rechtlichen Hindernisse entgegenstehen“[4]. Nach der Rechtsprechung ist es „Sache des Vermieters, die objektbezogenen öffentlich-rechtlichen Voraussetzungen für den vertragsgemäßen Gebrauch zu schaffen“[5]. Aufgrund dieser gesetzlichen Risikoverteilung ist unerheblich, ob der Vermieter die fehlende Gebrauchstauglichkeit des Mietobjekts zu vertreten hat, sie beheben kann oder ihre Ursache in seinem Einflussbereich liegt[6].
Gem. §§ 536 ff. BGB haftet der Grundstückseigentümer für die fehlende Gebrauchstauglichkeit, wenn die Parteien die Haftung nicht – soweit gesetzlich möglich – beschränkt haben oder der Mieter (=Nutzer) Kenntnis vom Mangel, z.B. fehlendes Planungsrecht, hatte, § 536 b BGB. Ist letzteres der Fall, kann der Nutzer den Nutzungsvertrag jedoch auch nicht mehr außerordentlich kündigen[7].
- Der Nutzer zahlt für die Überlassung des Grundstücks für EE-Anlagen das vertraglich vereinbarte Entgelt, § 535 Abs. 2 BGB. Er zahlt dieses hingegen nicht dafür, dass er das Grundstück nutzt, § 537 Abs. 1 S. 1 BGB, oder die EE-Anlage wirtschaftlich auf dem Grundstück betreiben kann.
Eine vertragliche Vereinbarung, nach der das Nutzungsentgelt z.B. erst mit Baubeginn gezahlt wird, kann gem. § 308 Nr. 1, 1a BGB unwirksam sein, wenn der Grundstückseigentümer unangemessen lange auf das Nutzungsentgelt warten muss oder unklar ist, wann er diese konkret erhält[8]. Ob dies der Fall ist, bewertet im Einzelfall ein Gericht. Das Risiko, dass dieses hierbei zu einer Unwirksamkeit der Zahlungsklausel gelangt, mit der Folge, dass die Zahlungspflicht deutlich vor Baubeginn einsetzt, ist seit der Entscheidung des BGH[9] zumindest gestiegen.
- § 580a Abs. 1 Nr. 3 BGB sind Nutzungsverträge mit einer Frist von drei Monaten zum Vertragsende kündbar. Dies gilt nicht, wenn die Vertragslaufzeit wirksam befristet wird. Für die Bestimmung des Laufzeitbeginns oder -endes kann auf ein Ereignis, z.B. Inbetriebnahme Bezug genommen werden. Allerdings handelt es sich insoweit nur dann um eine Zeitbestimmung im Sinne des § 163 BGB, wenn bei Vertragsschluss feststeht, dass das relevante Ereignis sicher eintritt. Ist der Eintritt des Ereignisses hingegen bei Vertragsschluss ungewiss, liegt eine aufschiebende Bedingung vor. Aufschiebend bedingte Nutzungsverträge sind auf unbestimmte Zeit geschlossen und damit jederzeit ordentlich kündbar[10].
Selbst wenn der Eintritt des Laufzeitbeginns sicher feststeht und nur unklar wäre, wann die befristete Vertragslaufzeit beginnt, wäre der Nutzungsvertrag bis zum Laufzeitbeginn unbefristet und jederzeit kündbar. Branchenübliche Klauseln, wonach die Vertragslaufzeit z.B. mit Inbetriebnahme beginnt und nach 25 Jahren endet, führen daher mindestens bis zur Inbetriebnahme zu einer Kündbarkeit des Nutzungsvertrages[11].
Diese Risiken können die Parteien vermeiden, wenn die Vertragslaufzeit mit Vertragsschluss beginnt. Dies hat bei längeren Projektierungsphasen den Nachteil, dass ein wesentlicher Teil der Vertragslaufzeit bereits bei Baubeginn der EE-Anlage abgelaufen ist. Zwar kann die Laufzeit durch Nachträge verlängert werden. Hierfür ist jedoch immer die Mitwirkung des Grundstückseigentümers nötig.
Festzuhalten ist daher, dass der Abschluss von Nutzungsverträgen bei fehlendem Planungsrecht sowohl für den Nutzer als auch für den Grundstückseigentümer mit Risiken verbunden ist. Diese lassen sich durch individualvertragliche Vereinbarungen, z.B. über den Zahlungsbeginn, Rücktrittsrechte etc. gut regeln. Weniger gut gelingt dies durch vorformulierte Vertragsklauseln (AGB), da sich diese gem. §§ 307 ff. BGB an dem gesetzlichen Leitbild des gewerblichen Mietrechts orientieren müssen.
Zudem kommt es den Vertragsparteien in der Projektentwicklungsphase regelmäßig zwar auf eine exklusive Grundstückssicherung zur Absicherung von Planungsinvestitionen, nicht aber auf die Gebrauchsüberlassung des Grundstücks zu einem bestimmten Nutzungszweck an.
2. Reservierungsvertrag- Ein Lösungsvorschlag für den Planungszeitraum
Für eine derartige exklusive Grundstückssicherung bietet sich allerdings besser ein Reservierungsvertrag an. Hierbei handelt es sich um einen Mietvorvertrag. Derartige Verträge sind im gewerblichen Mietrecht üblich. Sie werden geschlossen, wenn dem Abschluss des Mietvertrages rechtliche oder tatsächliche Hindernisse entgegenstehen[12], die Parteien sich jedoch bereits vertraglich binden wollen[13]. Insoweit unterscheiden sich Vorverträge von unverbindlichen Vertragsverhandlungen oder Absichtserklärungen[14].
Anders als die EE-Branche häufig glaubt, handelt es sich bei dem Vorvertrag nicht um einen weniger sicheren Vertrag. Denn er begründet die Verpflichtung zum Abschluss des Nutzungsvertrages (Kontrahierungszwang)[15]. Umgekehrt ergibt sich daraus ein Verbot, Nutzungsverträge mit Dritten abzuschließen[16]. Der Grundstückseigentümer muss zudem alles unterlassen, was dem Abschluss des Nutzungsvertrages entgegenstehen könnte[17]. Daher führt der Abschluss eines Vorvertrages im selben Umfang wie der Nutzungsvertrag zu einer exklusiven Grundstückssicherung.
Hier wie dort kann der Grundstückseigentümer seine Vertragspflichten allerdings durch den Abschluss von Konkurrenzverträgen verletzen. Auch bei einem Vorvertrag muss sich der Nutzer in diesem Fall nicht auf Schadensersatzansprüche verweisen lassen, sondern kann auf den Abschluss des Nutzungsvertrages bestehen, solange nicht feststeht, dass der Vertrag mit dem Mitbewerber nicht mehr mit allen verfügbaren Mitteln beendet werden kann[18].
Die Verpflichtung zum Abschluss des Nutzungsvertrages kann gerichtlich durchgesetzt werden[19]. Diese Klage kann mit einer Klage auf Besitzeinräumung an dem Grundstück verbunden werden[20]. Nicht anders müsste der Nutzer vorgehen, wenn der Grundstückseigentümer die Erfüllung des Nutzungsvertrages verweigert.
Je konkreter sich die Parteien des Vorvertrages über den abzuschließenden Nutzungsvertrag geeinigt haben, desto einfacher ist die klageweise Durchsetzung des Kontrahierungszwangs. Ist der Nutzungsvertrag endverhandelt, kann der Nutzer auf Annahme des konkreten Vertragsangebots klagen. Waren noch Vereinbarungen offen, muss der Nutzer ein Vertragsangebot mit Hilfsanträgen einklagen, auf die der Grundstückseigentümer dann mit konkreten Alternativvorschlägen reagieren muss[21]. Notfalls legt das Gericht den Inhalt des Nutzungsvertrages fest. Dieser sollte daher bereits im Vorvertrag so formuliert sein, dass ein Gericht die Vertragsvereinbarungen durch Auslegung ermitteln kann[22].
3. Kritik am Reservierungsvertrag
In der Branche sind Reservierungsverträge (noch) wenig beliebt.
Aus praktischer Sicht wird gegen sie vorgebracht, dass ein zweiter Vertragsschluss erforderlich wird. Dies ist richtig, wäre jedoch nur dann ein relevantes Argument gegen Reservierungsverträge, wenn die zu einem sehr frühen Zeitpunkt abgeschlossenen Nutzungsverträge nicht ebenfalls regelmäßig durch Nachträge aktualisiert werden müssten. Genau dies ist derzeit jedoch der Fall. Hinzukommt, dass der frühzeitige Abschluss von Nutzungsverträgen nicht selten zu einem Vertrauensverlust bei Grundstückseigentümern geführt hat. Denn anders als es der Nutzungsvertrag suggeriert, geht es nicht „sofort los“ mit der Errichtung und dem Betrieb der EE-Anlagen, sondern vergehen mehrere Jahre, in denen zunächst Planungsrecht entstehen muss. Der Reservierungsvertrag stellt dies auf transparente Weise dar.
Aus rechtlicher Sicht wird eingewandt, dass Reservierungsverträge „weniger sicher“ seien. Dies ist jedoch – wie bereits unter Ziffer 2 dargestellt – nicht der Fall. Der Grundstückseigentümer kann seine vertraglichen Pflichten immer verletzen. Oder anders: Es liegt nicht am Vertragstyp, ob Grundstückseigentümer vertragsuntreu werden oder nicht.
[1] BGH, Urt. v. 07.03.2018 – XII ZR 129/16; OLG Hamm, Urt. v. 02.07.2020-5 U 81/19; OLG Schleswig, Urt. v. 21.10.2016 – 14 U 15/16; OLG Karlsruhe, Urt. v. 25.04.2018 – 14 U 217/17.
[2] Makowski in Guhling / Günter, Gewerberaummiete, 3. Aufl. 2024, Vor § 535, Rz. 1.
[3] BGH, Urt. v. 10.10.2012 -XII ZR 117/10.
[4] KG, Urt. v. 01.04.2004 - 8 U 219/03.
[5] OLG Brandenburg, Urt. v. 11.06.2024 – 3 U 23/23.
[6] KG, Urt. v. 12.11.2007, 8 U 194/06.
[7] Günter in: Guhling / Günter, § 536b Rz. 45.
[8] BGH, Urteil vom 11.11.2021 – IX ZR 237/20.
[9] BGH, wie vor.
[10] BGH, Urteil vom 01.04.2009 - XII ZR 95/07; OLG Hamm, Urteil vom 02.07.2020 – 5 U 81/19; OLG Nürnberg, Hinweisbeschluss vom 19.08.2021 – 3 U 2210/21; OLG Dresden, Beschluss vom 06.04.2021 – 5 U 73/21; OLG Zweibrücken, Urteil vom 07.07.2021 – 7 U 88/20.
[11] OLG Hamm, Urteil vom 02.07.2020 – 5 U 81/19.
[12] BGH, Urteil vom 21.10.1992 – XII ZR 173/90, Spielhalle; OLG Frankfurt / M., Urteil vom 10.09.2014 – 14 U 103/12.
[13] BGH, Urteil vom 12.05.2006 – V ZR 97/05; OLG Karlsruhe, Urteil vom 24.04.2009 – 14 U 53/06; OLG Brandenburg, Urteil vom 11.06.2024 – 3 U 23/23.
[14] Leonhard in Guhling / Günter, Vor § 535 Rz. 256.
[15] OLG Frankfurt / M., Urteil vom 10.09.2014 – 14 U 103/12.
[16] Leonhard in Guhling / Günter, Vor § 535, Rz 249.
[17] BGH, Urteil vom 07.03.2007 – XII ZR 40/05.
[18] OLG Frankfurt / M., Urteil vom 10.09.2014 – 14 U 103/12.
[19] BGH, Urteil vom 12.05.2006 – V ZR 97/05.
[20] BGH, Urteil vom 18.04.1986 – XII ZR 32/85; Fleischmann, Anspruch auf Abschluss eines Hauptmietvertrages, NZM 2012, 625; OLG Frankfurt / M., Urteil vom 10.09.2014 – 14 U 103/12.
[21] BGH, Urteil vom 12.01.2001 – V ZR 468/99; BGH, Urteil vom 12.05.2006 – V ZR 97/05; OLG Frankfurt / M., Urteil vom 10.09.2014 – 14 U 103/12; OLG Karlsruhe, Urteil vom 24.04.2009 – 14 U 53/06.
[22] BGH, Urteil vom 21.10.1992 – XII ZR 173/90.
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