„Inventur“ der nationalen Flächenpotenziale
Um dieses Ziel zu erreichen, sieht RED III u.a. eine grundlegende „Inventur“ der nationalen Flächenpotenziale in den Mitgliedstaaten vor.
Die Mitgliedstaaten müssen zunächst innerhalb von 18 Monaten nach Inkrafttreten der Richtlinie sog. Erneuerbare-Energien-Gebiete identifizieren. Die Richtlinie versteht hierunter Gebiete, die für das Erreichen der jeweiligen nationalen Beiträge für das 2030-Ziel benötigt werden und verlangt eine „koordinierte Erfassung“ der Gebiete. Zweckmäßigerweise ist es aber erlaubt, bestehende Raumordnungspläne zu nutzen. Die künftigen EE-Gebiete dürften daher vermutlich mit den bisherigen regionalplanerischen Vorranggebieten und bauleitplanerischen Konzentrationszonen weitgehend identisch sein.
Identifizierung von „Beschleunigungsgebieten“
Aus diesen EE-Gebieten müssen die Mitgliedstaaten sodann innerhalb von 27 Monaten nach Inkrafttreten der Richtlinie „Beschleunigungsgebiete“ identifizieren. Das sind Flächen für Anlagen zur Erzeugung Energie aus erneuerbaren Quellen, die „besonders geeignet“ sind, da dort die EE-Nutzung voraussichtlich keine „erheblichen Umweltauswirkungen“ hat. Dementsprechend sind Schutzgebiete wie Natura-2000-Gebiete von vornherein komplett ausgenommen. Im Übrigen müssen die Mitgliedstaaten „alle geeigneten und verhältnismäßigen Instrumente und Datensätze, z. B. Sensibilitätskarten für Wildtiere“ für die Identifizierung der geeigneten Flächen nutzen.
Die so ermittelten Beschleunigungsgebiete müssen die zuständigen nationalen Behörden in eigens verabschiedeten Plänen ausweisen. Dabei müssen die zuständigen Behörden „geeignete Regeln für wirksame Minderungsmaßnahmen“ festlegen, die bei der Errichtung von Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energie zu ergreifen sind, „um mögliche negative Umweltauswirkungen zu vermeiden oder, falls dies nicht möglich ist, gegebenenfalls erheblich zu verringern“ – wohlgemerkt in jenen Plänen, die die Beschleunigungsgebiete ausweisen sollen! Zwar sieht Art. 15c Abs. 4 eine Vereinfachungsmöglichkeit vor: Die Mitgliedstaaten können geeignete Gebiete, die bereits ausgewiesen sind, zu Beschleunigungsgebieten erklären. Allerdings auch dann unter der Voraussetzung, dass für das Gebiete eine stratgische Umweltprüfung durchgeführt wurde und: „Mit den Projekten in diesen Gebieten werden angemessene und verhältnismäßige Regeln und Maßnahmen umgesetzt, um möglichen nachteiligen Umweltauswirkungen entgegenzuwirken.“
Jedenfalls die Bundesrepublik dürften vor allem das „Hochzonen“ artenschutzrechtlicher Vermeidungsmaßnahmen auf die Planungsebene vor besondere Herausforderungen stellen. Um das planungsrechtlich zu bewerkstelligen, wird der Gesetzgeber innovativ tätig werden müssen. Der Bundesrat hatte bereits zum ersten Entwurf der Novelle darauf hingewiesen, die damals noch als „go-to-Gebiete“ bezeichneten Beschleunigungsgebiete stellten eine neuartige Gebietskategorie dar, die „dem nationalen Planungsrecht fremd“ sei.
Ungeachtet dieser potenziellen planungsrechtlichen Hürden: Diese Beschleunigungsgebiete sind der zentrale Baustein der EU, um die Genehmigungsverfahren insbesondere für die Windenergie massiv zu beschleunigen.
Beschleunigung der Genehmigungsverfahren
Denn in diesen Beschleunigungsgebieten sollen die Genehmigungsverfahren für Windenergieanlagen maximal 1 Jahr (+ eine 6monatige Verlängerungsmöglichkeit) dauern. Für Repowering-Vorhaben sogar nur 6 Monate (+ 3monatige Verlängerungsmöglichkeit). Genehmigungsverfahren für Windenergieanlagen außerhalb von Beschleunigungsgebieten sollen sich auf maximal 2 Jahre verkürzen, für Repoweringvorhaben auf maximal 1 Jahr.
Dies kann nur gelingen, da in den Beschleunigungsgebieten zugleich die umweltrechtlichen Prüfungspflichten gestrafft werden. Die Pflicht zur Durchführung einer UVP und einer FFH-Verträglichkeitsprüfung entfallen dort künftig. Auch eine artenschutzrechtliche Prüfung wird es in Beschleunigungsgebieten nicht mehr geben. Stattdessen führt die Genehmigungsbehörde dort nur ein „screening“ durch. Kommt dieses zum Ergebnis, dass das Projekt keine „erhebliche unvorhergesehene nachteilige Auswirkungen haben wird“, die bei der Umweltprüfung der Pläne nicht ermittelt wurden, sind Anträge „unter Umweltgesichtspunkten“ genehmigt, ohne dass einer Verwaltungsentscheidung bedarf. Die abschließende, umfassende Genehmigungsentscheidung indes, die muss nach wie vor ausdrücklich ergehen.
Für Repoweringvorhaben soll es – auch außerhalb von Beschleunigungsgebieten – zusätzliche Erleichterungen geben. Das etwaige ausreichende screening und eine etwaige erforderliche UVP beschränken sich auf eine „Delta-Prüfung“. Zudem modifziert RED-III den artenschutzrechtlichen Tötungstatbestand: Wurden die erforderlichen Minderungsmaßnahmen getroffen, so gelten Tötungen oder Störungen der geschützten Arten nicht (mehr) als absichtlich.
Der Rat muss RED-III noch förmlich billigen, dies ist für den 08.10.23 vorgesehen. Mit einem Inkrafttreten der neuen Richtlinie ist daher noch dieses Jahr zu rechnen. Ab dann läuft eine Umsetzungensfrist von 18 Monaten. Nur speziell für die Umsetzung der Beschleunigungsvorgaben außerhalb der Beschleunigungsgebiete hat der nationale Gesetzgeber nur bis zum 01.07.2024 Zeit. Diese Umsetzungsfristen sind etwas unglücklich gewählt, da so eine Lücke zu den bereits mit der EU-Notfall-Verordnung Anfang des Jahres vorläufig eingeführten Erleichterungen (insbesondere der Entfall von UVP und artenschutzrechtlicher Prüfung) entstehen kann.
RED-III umfasst 296 Seiten teilweise hochkomplexer Neuerungen, bei weitem nicht nur für die Windenergie. Der Gesetzgeber wird in den nächsten Monaten mit Hochdruck daran arbeiten müssen, all diese fristgerecht ins nationale Recht umzusetzen. Ab dann aber sind die rechtlichen Weichen für den Ausbau der Windenergie und dessen Beschleunigung grundlegend neu gestellt.