Kurz nach Jahresanfang schlägt der vorstehende Eil-Beschluss Wellen1 – zumindest in Hessen und der dortigen Lokal- und Landespresse: So war in der Regionalausgabe der F. A. Z. unter der Überschrift „Ideologie im Amtsblatt“2 zu lesen, der VGH Kassel habe den erst Anfang Januar 2021 in Kraft getretenen neuen Windkrafterlass für Hessen „wenige Wochen nach Inkrafttreten Makulatur“ werden lassen. Die „methodischen Unzulänglichkeiten der fachlichen Begründung“ darin seien angeblich „so abenteuerlich, dass die Richter[Innen] den Urhebern der Vorschrift die korrekte Einhaltung wissenschaftlicher Standards absprechen“, was folglich „eine Blamage“ für die beiden grün geführten Wirtschafts- und Umweltministerien sei. Denn „um mehr Windräder zu ermöglichen, wollten die Minister[Innen] beispielsweise den Mindestabstand zwischen den Rotoren und dem Horst des Rotmilans von 1.500 auf 1.000 Meter verringern“. Dem sei das Gericht mit „vernichtendem Urteil“ entgegengetreten.

Derlei Zuspitzungen der Tagespresse, hier nur als „Teaser“ vorangestellt, lassen aufhorchen: Hat sich der VGH Kassel tatsächlich derart für 1.500m-Mindestabstände zum Rotmilanhorst und gegen den hessischem Windkrafterlass (VwV 2020)3 geäußert? Die Antwort auf die Frage sei hier gleich „gespoilert“: Nein, die zitierte Presse verkennt schon die vom VGH Kassel erörterten naturschutzrechtlichen Fragestellungen. Erst recht fehlt jede kritische Befassung und Einordnung der Beschlussgründe.

1. So fällt schon mit dem ersten Blick in die eher knappe4 Begründung auf: Der 9. Senat hat sich, wenn überhaupt, allenfalls am Rande mit artenschutzrechtlichen Fragen befasst. Folglich werden dort auch keine zwingend einzuhaltenden „Mindestabstände“ im Sinne eines Tabubereichs zwischen Windenergieanlagen (WEA) und Rotmilanbrutplätzen in Hessen postuliert. Anders als die Eingangszitate suggerieren, enthält der Beschluss tatsächlich keinerlei Aussagen zu dem seit Jahren5 bei WEA-Vorhaben im Mittelpunkt stehenden Tötungsverbot (§ 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG), der dazu vom Bundesverwaltungsgericht entwickelten sog. Signifikanzformel6 und der – just im vergangenen Jahr kontrovers geführten – Diskussion zur Bestimmung des spezifischen Grundrisikos7 einerseits und des vorhabenspezifischen Risikos andererseits. Letztere fand ihren vorläufigen Höhepunkt in dem am 11. Dezember 2020 von der Umweltministerkonferenz (UMK) beschlossenen sog. Signifikanzrahmen8. Zu alledem findet sich in dem VGH-Beschluss kein Wort.

2. Stattdessen geht es in dem Eilentscheid – wie sich erst auf den zweiten Blick erschließt – um einen weithin atypischen Lebenssachverhalt zum Habitatschutz (§ 34 BNatSchG). Dazu empfiehlt sich, das ausführliche (nicht rechtskräftige9) Hauptsache-Urteil des VG Kassel zur Hand zu nehmen10. Im Mittelpunkt steht danach ein FFH-Gebiet, welches sehr dicht, nämlich lediglich 90 m an die drei genehmigten WEA-Standorte heranreicht. Innerhalb des FFH-Gebiets befindet sich zudem ein Rotmilanbrutplatz, dieser immerhin rund 1.300 m (oder 1.500 m)11 entfernt zu den genehmigten WEA. Der Standarddatenbogen des FFH-Gebiets, wohl gemerkt: es handelt sich nicht um ein Vogelschutzgebiet, weist als Erhaltungsziel nach Anhang II der FFH-Richtlinie „den Frauenschuh, den Hirschkäfer und den Kammmolch“ aus, allesamt keine windkraftsensiblen Arten. Ferner nennt der Datenbogen dann aber noch als „andere wichtige Tierarten“ drei Vogelarten, nämlich: Rotmilan (sic!), Schwarzmilan und Schwarzspecht.12

Bei diesem „exotischen“ Sachverhalt – einem FFH-Gebiet auch zum Schutz von Rotmilanlebensräumen – verwundert es nicht, dass sich das erstinstanzliche Urteil des VG Kassel und der hier besprochene Eil-Beschluss in habitatschutzrechtlichen Details verstricken: Das VG Kassel meint, dass der Rotund Schwarzmilan für das FFH-Gebiet „keine charakteristischen Arten“13 seien. Zwar werde der Rotmilan in der Beschreibung des Natura 2000- und FFH-Gebiets genannt, aus der Gebietsbeschreibung und der Darstellung der Lebensraumtypen ergebe sich indes nicht, dass die Vogelarten vom spezifischen Schutzzweck des FFH-Gebiets umfasst seien14. Dagegen hält der VGH Kassel: Der Rotmilan, auch wenn keine FFH-Anhang-II-Art, gehöre dennoch zu den „maßgeblichen Arten einer FFH-Vorprüfung“ im hiesigen FFH-Gebiet.15 Eine FFH-Verträglichkeitsprüfung sei somit fehlerhaft unterblieben und der Sofortvollzug aufzuheben.

Solcherlei Spezialfragen zu § 34 BNatSchG sind hier mangels übergreifenden Interesses nicht zu vertiefen16. Es bleibt nur festzuhalten: Wie schon die im Entscheidungsabdruck von der ZNER-Redaktion in Klammern eingefügten Überschriften nahelegen, geht es in dem Eilbeschluss ganz vornehmlich um Fragen des Habitatschutzrechts und § 34 Abs. 2 BNatSchG.

3. Ein dritter und vertiefender Blick muss dennoch auf einige weitere Ausführungen des VGH Kassel erfolgen, namentlich dort zu den Abstandsvorhaben zu Rotmilanbrutplätzen, dem sog. Helgoländer Papier17 und dem neuen Hessischen Windkrafterlass (VwV 2020), wie sie teils auch in den (redaktionellen18) Leitsätzen 4. und 5. des Beschlussabdrucks festgehalten sind.

a) Bemerkenswert ist zunächst, dass die nachstehend behandelten problematischen Passagen zum Artenschutzrecht allesamt im Rahmen der habitatrechtlichen Prüfung des § 34 BNatSchG erörtert werden. Dies bestätigt ein wichtiges Sachverhaltsdetail, im Eilbeschluss nur am Rande angesprochen19: Im Prüfbereich20 der drei streitgegenständlichen WEA gibt es nicht lediglich einen, sondern insgesamt drei (!) Rotmilanbrutpaare. Zu dem nördlichen Horst innerhalb des FFH-Gebiets kommen noch zwei weitere Brutvorkommen hinzu, und zwar südwestlich in 700 m und südlich in ca. 650 m Entfernung. Diese beiden Horste liegen außerhalb des FFH-Gebiets. Dazu vorliegende Raumnutzungserfassungen kamen, für einen Waldstandort wenig überraschend, zu dem Ergebnis, dass der Rotmilan als Offenlandjäger den WEA-Standortbereich nur selten nutzte. In der Folge thematisiert auch der Eilbeschluss in seinem Artenschutzabschnitt den Rotmilan erst gar nicht, sprich: Keineswegs geht der VGH Kassel davon aus, dass es stets und immer eines „Mindestabstands“ von 1.500 m zwischen WEA und Rotmilanhorst bedürfe. Vielmehr legt der Beschluss lediglich dar, dass bei einer Unterschreitung eines 1.500m-Abstandes21 sich immer eine Einzelfallprüfung anzuschließen habe, konkret eine Habitatpotentialanalyse (HPA) und ggf. eine Raumnutzungsanalyse (RNA)22. Wenn HPA und RNA keine besondere Frequentierung des Standortbereichs zeitigt, ist § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG nicht verletzt.

Liegt dies im Einzelfall anders, sind im nächsten Schritt Schutzmaßnahmen i. S. von § 44 Abs. 5 S. 1 Nr. 1 BNatSchG festzulegen (z. B. Lenkung und Vergrämung23), unter Umständen aber auch Betriebseinschränkungen bis hin zu Tag-Abschaltungen, dabei jedoch regelmäßig beschränkt auf die Brutzeit.24 Zu ergänzen ist, dass ggf. vor der Festlegung von solchen Betriebseinschränkungen auch eine sog. Ausnahme vom Tötungsverbot (§ 45 Abs. 7 Nr. 4 und Nr. 5 BNatSchG) zu prüfen ist, wobei in der Rechtsprechung noch umstritten ist, unter welchen Voraussetzungen eine solche Ausnahme zulässig ist. Zum Thema Ausnahme steht, notabene ebenfalls beim 9. Senat des VGH Kassel anhängig, noch eine Berufungsentscheidung zu einem viel besprochenen und kritisierten25 Urteil des VG Gießen26 aus (Kritik kam nicht zuletzt auch von der UMK27).

Kaum mehr umstritten, nach dem heutigen Stand der Rechtsprechung, ist hingegen, dass auch ein Rotmilan-Brutpaar im Prüfbereich eineGesamt-Ablehnung derWEA-Genehmigung(jedenfalls jenseits von Natura-2000-Gebieten) nichtrechtfertigt. Denn eine signifikant erhöhteSchlaggefährdung kommt grundsätzlich nur während der Brutzeit des Milans in Betracht.28 Hinzu kommt: Wegen des mit dem EEG 2021 jetzt in § 36f EEG geregelten sog. Korrekturfaktors und einer hiermit vom Gesetzgeber bewusst gewollten Teil-Kompensation genehmigungsrechtlicher Erzeugungsverluste stellen selbst umfangreiche(re) Abschaltungen den wirtschaftlichen Betrieb der WEA nicht zwingend infrage.
Ungeachtet dessen müssen auch etwaige Betriebseinschränkungen stets verhältnismäßig sein, kommen also nur „bedarfsgerecht“ und als ultima ratio überhaupt in Betracht (z. B. unter Berücksichtigung der Windgeschwindigkeit). Je höher zudem die WEA ist, umso weniger liegt überhaupt eine Gefährdung vor.29

Zusammengefasst: Der Rotmilan ist bezogen auf das Tötungsverbot – Stand heute – längst kein Ablehnungsgrund mehr, vielmehr rücken HPA, RNA und ggf. Schutzmaßnahmen i. S. von § 44 Abs. 5 S. 1 Nr. 1 BNatSchG), jedenfalls bei erhöhter Standortfrequentierung einer windkraftsensiblen Art, in den Vordergrund der fachwissenschaftlichen Bewertung. Dabei sind aus dem Blickwinkel des Artenschutzrechts (nicht des Habitatschutzrechts) vor allem Umfang und Verhältnismäßigkeit solcher Schutzmaßnahmen künftig noch exakter auszuloten.30

b) Im Rahmen des hier besprochenen Eilbeschlusses war es nicht Aufgabe des VGH, die vorgenannten Fragen zu Tötungsverbot, Schutzmaßnahmen und Verhaltensmäßigkeit darzustellen oder gar zu vertiefen, stellt der VGH doch auf § 34 BNatSchG ab. Dass bei alledem die eingangs zitierte Tagespresse den Unterschied zwischen Arten- und Habitatschutz verkannte, ist dem VGH kaum anzulasten. Allerdings sind dennoch einzelne Ausführungen der Beschlussgründe durchaus kritisch zu hinterfragen, vier Punkte seien hier herausgenommen:

  • So fällt – erstens – auf, dass der Beschluss artenschutzrechtliche Aspekte wie Prüfbereiche31 um Greifvogelhorste einerseits und habitatschutzrechtliche Aspekte andererseits
    nicht klar trennt bzw. unzulässig vermengt. In der sonstigen Rechtsprechung wird die Frage nach einer „erheblichen Beeinträchtigung“ nach § 34 Abs. 2 BNatSchG gerade nicht anhand von Abstandsempfehlungen aus dem Artenschutzrecht geprüft. Das Habitatrecht hat seine eigenen Maßstäbe, angedeutet immerhin mit der im VGH-Beschluss genannten Formulierung des „besten wissenschaftlichen Erkenntnisstands“32. Im Mittelpunkt steht dabei in Fällen wir hier, ob außerhalb des Schutzgebiets stehende WEA in das FFH- oder Vogelschutzgebiet noch hineinwirken oder nicht. Bei einem Abstand von mehr als 2.000 m zur FFHGebietsgrenze ist das regelmäßig nicht der Fall.33
  • Noch mehr ist – zweitens – zu kritisieren, dass der VGH einerseits mit keinem Wort den besagten UMK-Signifikanzrahmen34 vom 11.12.2020 erwähnt, sich aber stattdessen mehrfach auf den vom Bundesamt für Naturschutz (BfN) im vergangenen Frühjahr als Entwurf vorgelegten Methodenvorschlag bezieht35. Offenbar war dem 9. Senat, der erst vor kurzer Zeit neu besetzt wurde, schlicht nicht bekannt, dass besagter BfN-Methodenvorschlag, nach starker fachlicher wie rechtlicher Kritik36, gleichsam „durchgefallen“ ist und der
    UMK erst gar nicht mehr zur Beschlussfassung vorgelegt wurde37. Stattdessen hat sich die UMK im Dezember auf den besagten Signifikanzrahmen verständigt.
  • Drittens ist zu widersprechen, wenn laut Eilbeschluss das im Kern aus dem Jahr 2015 stammende Helgoländer Papier (LAG-VSW)38 – bezogen auf den Rotmilan und „einen regelmäßigen Mindestabstand von 1.500 m“ zur WEA – dem „aktuellen Stand der Wissenschaft“ entsprechen soll. Nicht nur die im Beschluss zum Beleg angeführte jüngere Rechtsprechung des OVG Koblenz meldet hier Zweifel an39. Auch viele Ländererlasse sind den Empfehlungen des Helgoländer Papiers bis heute ausdrücklich nicht gefolgt; beispielhaft genannt seien für den Rotmilan Brandenburg40 und Mecklenburg-Vorpommern41. Nicht zuletzt zeigt ein kurzer Blick in den besagten UMK-Signifikanzrahmen, ebenfalls bezogen auf den Rotmilan, dass es – Stand heute – für den Prüfradius des Rotmilans gerade keinen fachlich allgemein anerkannten Standard gibt: Der Signifikanzrahmen42 belässt hier den Bundesländern explizit Spielräume zwischen 1.000 und 1.500 m (wohl gemerkt: nur für den Prüfrahmen, nicht etwa als „Mindestabstand“).
  • Die absehbar meiste Kritik und Resonanz wird – viertens – der letzte Teil der habitatrechtlichen Prüfung zum neuen Windkrafterlass (VwV 2020) auslösen, wonach die artenschutzfachliche Begründung, konkret zu den Erhebungen im Vogelsberg zur Festlegung des Prüfradius für Rotmilane von 1.000 m, nicht „auf das gesamte Bundesland Hessen und insbesondere auf den hier relevanten Standort der WEA in Nordhessen übertragbar“ sei43; dies sei, so heißt es immerhin einschränkend, „für den Senat derzeit [sic!] nicht ersichtlich“. An diesem Punkt steht der VGH nämlich nicht nur konträr zur fachlichen Bewertung des Umweltministeriums, sondern auch zu den großen Naturschutzverbänden, die in den vergangenen Jahren an dem neuen Windkrafterlass mitgearbeitet haben44. Das Umweltministerium hat schon angekündigt, an dem Prüfradius für den Rotmilan von 1.000 m festzuhalten45, was aus artenschutzrechtlicher Sicht schon nach dem UMK-Signifikanzrahmen und der entsprechenden Praxis in anderen Bundesländern gut begründbar erscheint. Auch steht eine eingehende artenschutzfachliche Befassung des Senats hierzu noch aus46, denn im bisherigen Eilverfahren fand eine Sachverständigenanhörung bisher nicht statt. Gerade von ornithologischer Seite sind noch weitere Reaktionen zu erwarten, auch jenseits des hiesigen Verfahrens.

4. Zusammengefasst sei die Prognose gewagt: Im Berufungsverfahren wird der VGH Kassel die vorstehenden vier Aussagen, insbesondere auch diejenigen zum hessischen Windkrafterlass (VwV 2020) in dieser Form nicht aufrechterhalten. Und nicht nur mit Blick auf die einleitend zitierte Tagespresse ist hervorzuheben: Der seit über zehn Jahren in Behördenpraxis und Rechtsprechung vielfach bei WEA-Zulassungsverfahren im Mittelpunkt stehende Rotmilan taugt längst nicht mehr als Versagungsgrund für WEA, und zwar gerade auch nach der Rechtsprechung des VGH Kassel.47 Jedenfalls jenseits des Habitatschutzrechts stellt sich auch der VGH in Fällen wie hier allein die Frage, ob eine vertiefenden Einzelfallprüfung zur Erforderlichkeit von Schutzmaßnahmen bereits bei Unterschreitung eines „Mindestabstands“, genauer: eines Prüfabstandes von 1.500 m (so der VGH Kassel), oder doch erst bei 1.000 m (so die neue VwV 2020) erforderlich ist. Die zur Zuspitzung neigende Tagespresse mag hier enttäuscht sein: Es geht, bei Lichte besehen, lediglich um die wenig spektakuläre Frage nach dem Umfang von Prüfradien für windkraftrelevante Greifvogelarten (hier den Rotmilan) und bei Unterschreitung ggf. erforderliche Nebenbestimmungen. Mit „Ideologie im Amtsblatt“ hat all das also nichts zu tun. Bei alledem ist der neue hessische Windkrafterlass zum Thema Rotmilan, um mehr geht es in dem VGH-Beschluss nicht, auf der Höhe der Zeit.48

 

Veröffentlich in: Zeitschrift für Neues Energierecht, ZNER, Heft 1/21, Seite 36 bis 29 (hier eingestellt mit freundlicher Gestattung des Verlags)


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BWE_Infopapier_zu_UMK-Beschluss_Final.pdf
Am 11.12.2020 hat die Umweltministerkonferenz (UMK) in einer Sondersitzung den „Standardisierte(n) Bewertungsrahmen zur Ermittlung einer signifikanten Erhöhung ...

Fußnoten zum Text:
1
VGH Kassel, Beschluss vom 14.01.2021 – 9 B 2223/20 (in diesem Heft).
2 Rhein-Main-Zeitung vom 20.01.2021, dort zwei Berichte mit den Überschriften: „Ideologie im Amtsblatt“ und „Erlass zur Windkraft verworfen“
3 Verwaltungsvorschrift „Naturschutz/Windenergie“ der Hessischen Ministerien für Umwelt und Wirtschaft vom 17. Dezember 2020 (VwV 2020), öffentlich bekanntgemacht im Staatsanzeiger für das Land Hessen vom 4. Januar 2021, Seite 13 ff.
4 Deutlich ausführlicher die Hauptsache-Entscheidung in 1. Instanz:VG Kassel, Urteil vom 17.02.2020 – 7 K 6271/17, abrufbar unter: http s://openjur.de/u/2261971.html.
5 Siehe etwa: VG Minden, Urteil vom 10.03.2010 – 11 K 53/09, ZNER 2010, 192 und VG Halle, Urteil vom 25.11.2008 – 2 A 4/07, ZNER 2009, 64. Das erstgenannte Urteil wurde rechtskräftig, das des VG Halle befasste später das BVerwG (Urteil vom 21.11.2013 – 7 C 40.11) und sogar das BVerfG (Beschluss vom 23.10.2018 – 1 BvR 2523/13, ZNER 2018, 527, dazu Brandt, ZNER 2019, 92-95).
6 Initial dazu: EuGH, Urteil vom 30.01.2002 – Rs. C‑103/00, Caretta, Slg. 2002, I‑1147 und BVerwG, Urteil vom 09.07.2008 – 9 A 14.07 (Bad Oeynhausen). Konkret zu WEA und Rotmilan s. BVerwG, Urteil vom 27.06.2013 – 4 C 1.12 und Urteil vom 21.11.2013 (Fn. 5).
7 Zum „Grundrisiko“ siehe BVerwG, Urteil vom 09.02.2017 – 7 A 2/15 u. a., Rn. 466 (Elbvertiefung); Urteil vom 28.04.2016 – 9 A 9/15, Rn. 141 (Elbquerung). Die Rspr. von BVerwG und BVerfG (Fn. 5) fasst zusammen für einen WEA-Fall z. B. OVG Koblenz, Urteile vom 06.10.2020 – 1 A 11357/19 und vom 31.10.2019 – 11643/17, ZNER 2020, 48.
8 „Standardisierter Bewertungsrahmen zur Ermittlung einer signifikanten Erhöhung des Tötungsrisikos im Hinblick auf Brutvogelarten an WEA an Land – Signifikanzrahmen“ vom 11.12.2021; s. ferner den UMK-Beschluss im Protokoll („Sonder-Umweltkonferenz am 11. Dezember 2020 per Videokonferenz“), abrufbar z. B. unter https://www.fachagentur-windenergie.de/aktuelles/detail/laendereinigung-zum-artenschutz/. Die Länder sollen diesen „Rahmen“ bis Herbst 2022 ausfüllen (siehe Protokoll, Ziff. 5 und 6).
9 VGH Kassel, Beschluss vom 19.10.2020 – 9 A 1365/20, n. v.
10 Siehe Fn. 4.
11 Der VGH (Fn. 1) geht von 1.500 m, das VG Kassel (Fn. 4) von 1.300 m aus.
12 All dies ergibt sich aus dem Hauptsache-Urteil (Fn. 4).
13 Zitat aus VG Kassel, a. a. O. (Fn. 4), dort Ziff. 3.1.2
14 Gegenteiliges dürfte auch kaum aus der allgemeinen Nennung im Rahmen der Ausweisung des zugleich bestehenden Naturschutzgebiets „Buchenwälder zwischen Mühlenberg und Hasselburg“ (NSG: NW-HX‑007) folgen, welches das streitgegenständliche Natura 2000- und FFH-Gebiet „Wälder um Beverungen“ teilweise umfasst; s. http:// nsg.naturschutzinformationen.nrw.de/nsg/de/fachinfo/gebiete/gesamt/HX_007.
15 Vgl. 1. Leitsatz im Entscheidungsabdruck oben.
16 Näher etwa: OVG Koblenz, Urteil vom 08.07.2009 – 8 C 10399/08 (Verkehrslandeplatz Speyer); OVG Koblenz, Urteil vom 06.12.2019 – 8 C 10240/18 (Rheinbrücke Wörth). Habitatrechtliche Fälle zu WEAVorhaben sind aktuell z. B. VG Neustadt a. d. W., Urteil vom 20.10.2020 – 5 K 395/17 n. v.; VG Potsdam, Urteil vom 17.02.2020 – 4 K 2241/15, n. v.
17 Siehe: „Abstandsempfehlungen für WEA zu bedeutsamen Vogellebensräumen sowie Brutplätzen ausgewählter Vogelarten (Stand April 2015)“ der Länderarbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten (LAG VSW), abrufbar unter: http://www.vogelschutzwarten.de/windenergie.htm; siehe ferner: „Fachliche Empfehlungen für avifaunistische Erfassung und Bewertung bei Windenergieanlagen-Genehmigungsverfahren – Brutvögel“ der Länderarbeitsgemeinschaften der Vogelschutzwarten (LAG VSW) vom 24. April 2020, Beschluss Nr. 19/02, Seiten 6, 9 ff.
18 Amtliche Leitsätze enthält der Eilbeschluss nicht, was auf eine fehlende grundsätzliche Bedeutung auch aus Sicht des 9. Senats schließen lässt.
19 Zu den nachstehenden Sachverhaltsdetails siehe erneut VG Kassel, Urteil vom 17.02.2020 (Fn. 4).
20 Zu den Begriffen „Prüfbereich“, „Regelbereich“ und „Nahbereich“ siehe die Definitionen im UMK-Signifikanzrahmen (Fn. 8), dort S. 3.
21 Auch das VG Kassel (Fn. 4) geht von einem 1.500m-Prüfradius aus. Übrigens anders wohl schon: VGH Hessen, Beschluss vom 21.12.2015 – 9 B 1607/15 (dort gab es einen Rotmilanhorst in ca. 600 m Entfernung, mit Betriebseinschränkungen war die Genehmigung zulässig).
22 Zu Stufenfolge der Habitatpotentialanalyse (HPA) und der Raumnutzungsanalyse (RNA) siehe den UMK-Signifikanzrahmen (Fn. 8), dort Ziff. 3.3.2, S. 11 f.
23 Z. B. die sog. Mahdabschaltungen, Details sind hier umstritten, vgl. dazu VG Berlin, Urteil vom 09.02.2017 – 11 N 39/17 (rechtskräftig), anders noch: VG Berlin, Urteil vom 08.10.2015 – 10 K 477.13 n. v.
24 Vgl. dazu z. B. VGH München, Beschluss vom 23.01.2020 – 22 CS 19.2297. Nur während der Brutzeit wird der Bereich um den Horst
(sog. Homerange) verstärkt genutzt; überdies ist der Milan ein Zugvogel und im Winterhalbjahr regelmäßig nicht in Deutschland. Siehe
auch weitere Rspr. in Fn. 28.
25 Dazu etwa: Bick/Wulfert, NuR (2020) 42, 250; Gellermann, NuR (2020) 42, 178, zusammenfassend zuletzt: Hofmann, E. (2020): Artenschutz und Europarecht im Kontext der Windenergie. Der Klimaschutz und die Auslegung der Ausnahmeregelungen der Vogelschutzrichtlinie. Hrsg. KNE gGmbH, abrufbar unter: https://www.fachagentur windenergie.de/aktuelles/detail/default-84d1da43e8/.
26 Urteil vom 22.01.2020 – 1 K 6019/18, ZNER 2020, 169 (Berufung zugelassen); anders übrigens VG Wiesbaden, Urteil vom 24.07.2020 – 4 K 2962/16, ZNER 2020, 583-606. – Übrigens hatte der VGH Kassel im Beschluss vom 06.01.2020 (9 B 1876/18, dort unter Ziff. 6) eine Ausnahme vom Tötungsverbot (Mäusebussard) als zulässig bestätigt.
27 Siehe: „Hinweise zu den rechtlichen und fachlichen Ausnahmevoraussetzungen nach § 45 Abs. 7 BNatSchG bei der Zulassung von Windenergievorhaben“, beschlossen auf der 94. Umweltministerkonferenz (UMK) am 15. Mai 2020, dort ab S. 5.
28 VGH München, Beschluss vom 23.01.2020 – 22 CS 19.2297; OVG Koblenz, Beschluss vom 16.08.2019 – 1 B 10539/19, ZNER 2020, 55; vgl. auch OVG Münster, Beschluss vom 01.04.2019 – 8 B 1013/18. – Ähnlich schon: VGH Kassel, Beschluss vom 21.12.2015 – 9 B 1607/15 (vgl. Fn. 21).
29 Siehe zum Ganzen näher die VwV 2020 (Fn. 3), S. 35 ff., dort zur bedarfsgerechten Abschaltung unter Berücksichtigung der Höhe der WEA und der Windverhältnisse. Solch „abgestufte“ Betriebseinschränkungen sind bei WEA bei Fledermausvorkommen heute ständige Praxis, grundlegend dafür: OVG Weimar, Urteil vom 14.10.2009, 1 KO 372/06, ZNER 2010, 99-101). Zum Rotmilan gibt es zudem immer bessere fachwissenschaftliche Erkenntnisse, siehe aktuell etwa das LIFE EUROKITE- Projekt (https://www.life eurokite.eu/de/unserevoegel/rotmilan-blog.html), auf die heute aufgebaut werden kann.
30 Siehe dazu z. B. VGH München (a. a. O. Fn. 28), mit der dortigen Streitfrage, ob bei einem Rotmilanhorst im Nahbereich eine Abschaltung von April bis Juli oder doch von März bis Oktober erforderlich ist. Nur hingewiesen sei hier auch auf die alsbald zu erwartenden technischen Vogelerkennungs- und Abschaltsysteme (dazu auch UMK-Signifikanzrahmen, S. 17, Fn. 8).
31 Begriff aus Signifikanzrahmen (Fn. 8 und Fn. 20); der stets missverständliche Begriff der „Mindestabstände“ (vgl. Presseartikel Fn. 2) sollte vermieden werden.
32 Diese Formulierung verwendet das BVerwG regelmäßig bei § 34 BNatSchG, so z. B. BVerwG Urteil vom 12.06.2019 – 9 A 2/18, 9 A 2/18 u. 9 A 25/05.
33 OVG Magdeburg, Beschluss vom 21.03.2013 - 2 M 154/12, amtlicher Leitsatz: „ 2. Zwar können auch WEA außerhalb von FFH-Gebieten erhebliche Beeinträchtigungen für dort lebende geschützte Vogelarten mit sich bringen, wenn sie in unmittelbarer Nähe zu einem solchen Gebiet liegen. Bei einer Entfernung von ca. 2.000 m dürfte dies aber regelmäßig auszuschließen sein. [...].“
34 Siehe Nachweise in Fn. 8.
35 „Methodenvorschlag des Bundes zur Prüfung und Bewertung eines signifikant erhöhten Tötungsrisikos von Vögeln an WEA“ des Bundesamtes für Naturschutz (BfN).
36 So auch in dieser Zeitung, siehe: Brandt, Entscheidungsverantwortung des Gesetzgebers und die Folgen: der BfN-Methodenvorschlag aus verfassungsrechtlicher und wissenschaftstheoretischer Sicht, ZNER 2020, 181 ff.; Ratzbor, Signifikanzbewertung als naturschutzfachliches Tätigkeitsfeld, ZNER 2020, 185 ff.; Frank/Rolshoven, WEA, Vögel und die Bestimmung des Signifikanzbegriffs: Die Quadratur des Kreises?, ZNER 2020, 197 ff.
37 Der Methodenvorschlag ist folgerichtig auch nicht vom BfN veröffentlicht (aber noch über die Internetseite <stiftung-Umweltenergierecht.de> einsehbar).
38 Siehe Nachweise in Fn. 17.
39 OVG Koblenz, Urteil vom 06.10.2020 – 1 A 11357/19, dort mit Verweis auf die Kritik von Brandt, Das Helgoländer Papier – grundsätzliche wissenschaftliche Anforderungen, abrufbar: http://k-wer.net/ve roeffentlichung-das-helgolaender-papier/; siehe ferner: Brandt, Das Helgoländer Papier aus rechtlicher Sicht, ZNER 2015, S. 336 ff.; kritisch auch: Schlacke/Schnittker, Abstandsempfehlungen für Windenergieanlagen zu bedeutsamen Vogellebensräumen sowie Brutplätzen ausgewählter Vogelarten, November 2015 abrufbar: https://www.fachagentur-windenergie.de/aktuelles/detail/rechtsgutachten-zum-helgolaender-papier-veroeffentlicht/. – Dass das Helgoländer Papier (Fn. 17) kein allgemein anerkannter Standard ist, zeigt z. B. auch divergierende (!) Rechtsprechung des 4. und 12. Senats des OVG Lüneburg (einerseits: Beschluss vom 16.11.2016 – 12 ME 132/16: „Diese Empfehlungen [Helgoländer Papier] haben sich keineswegs bereits als allgemein anerkannter Stand der Wissenschaft durchgesetzt“, anders aber Urteil vom 10.01.2017 – 4 LC 198/15: „Zudem entspricht es dem allgemeinen Stand der Wissenschaft, ... für Rotmilane einen Mindestabstand von WEA zu Brutplätzen von 1.500 m zu fordern (Länderarbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten, Berichte zum Vogelschutz 2014, S. 15, 26 f., ...)“.

40 Siehe Anlage 1 zum Windkrafterlass Brandenburg („Tierökologische Abstandskriterien für die Errichtung von WEA in Brandenburg (TAK), Stand 15.09.2018, mit Verweis auf „Schutzbereich [...] von 1.000 m zum Brutplatz“; abrufbar unter: https://mluk.brandenburg.de/mluk/de /umwelt/natur/eingriffsregelung/tieroekologische-abstandskriterien/.
41 LUNG MV, Artenschutzrechtliche Arbeits- und Beurteilungshilfe für die Errichtung und den Betrieb von Windenergieanlagen (AABWEA) – Teil Vögel Stand: 01.08.1016: „Ausschlussbereich: 1 km“.
42 Dort (Fn. 8) S. 5, Tabelle 1, Zitat: „Auf Grund unterschiedlicher Lebensraumausstattung können die Länder einen Regelabstand von 1.000 m bis 1.500 m festlegen.“
43 Fachgutachterlich untermauert ist die Aussage nicht. Ähnlich hätte der VGH auch dem Helgoländer Papier (Fn. 17) entgegenhalten können, dass dieses sich vor allem auf einzelne Studien in Thüringen beruft, die nicht auf ganz Deutschland übertragen werden können. Dies alles bedarf noch weiterer ornithologischer Vertiefung.
44 Der Erlass erging in Abstimmung mit anerkannten Naturschutzverbänden wie dem Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND), dem Naturschutzbund (NABU) und der Hessischen Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz (HGON), vgl. dazu z. B. Frankfurter Rundschau vom 13.01.2021, „Windkraft versus Artenschutz: Hessen plant heiklen Erlass“, näher: https://www.fr.de/hessen/windkraft-versus-artenschutz-hessen-plant-heiklen-erlass-zr-13434992.html. – Rechtsbehelfsführer hier ist übrigens die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald (SDW), die auf Initiative einer Bürgerinitiative hier tätig wurde (siehe dazu https://www.buergerinitiative-oberweser-bramwald.de/index.php/wp-wotan/70-2021-baustopp-windpark-wotan.
45 Zitierte nach der Rhein-Main-Zeitung (Fn. 2).
46 Freilich könnte sich die Frage auch aus Sicht des Senats als nicht entscheidungsrelevant herausstellen, weil es im Wesentlichen um § 34 Abs. 2 BNatSchG geht.
47 Nachweise Fn. 5 und vor allen Fn. 28.
48 Vgl. aktuell: Bird Life International hat vor wenigen Wochen den Rotmilan von der Roten Liste genommen (http://datazone.birdlife.org/species/factsheet/red-kite-milvus-milvus/text); ebenso das Land Brandenburg, dort die – nach zwölf Jahren – jüngst aktualisierte Rote Liste = Liste der Brutvögel des Landes Brandenburg 2019 (https://lfu.
brandenburg.de/lfu/de/aufgaben/natur/artenschutz/rote-listen/rote-listen-der-brutvoegel/).