Schon der Koalitionsvertrag der Regierungsparteien sah die Einführung einer Abstandsregelung vor. Nach heftigen Diskussionen hat man sich nun auf einen Kompromiss einigen können. Staatsminister für Regionalentwicklung und Bau, Thomas Schmidt (CDU) verspricht mit der Gesetzesänderung die Stärkung der Akzeptanz der Windenergie vor Ort und einen Zuwachs an Flächen, die für die Windenergie zur Verfügung gestellt werden können. Ob die geplante Gesetzesänderung tatsächlich einen Grund für optimistische Stimmung in der Windenergiebranche darstellt, erscheint aber mehr als fraglich.

1000m-Mindestabstand zu mind. 5 Wohngebäuden im Außenbereich

Inhaltlich setzt die Neuregelung des § 84 SächsBO für Windenergieanlagen einen 1000m-Mindestabstand zu Wohngebäuden fest. Unter den Begriff des Wohngebäudes in diesem Sinne fallen neben Wohngebäuden im Innenbereich nach § 30 und § 34 BauGB auch Ansammlungen von mindestens fünf Wohnhäusern im Außenbereich. Von der Koalition wird die Regelung als Kompromiss gefeiert.  Zwar sah schon der Referentenentwurf einen 1000m-Mindestabstand zu Wohnbebauung im Außenbereich vor. Der sollte aber schon einschlägig sein, wenn eine Wohnbebauung mit mindestens 3 Wohneinheiten besteht. Das hätte bedeutet, dass im Einzelfall auch zu Einzelgehöften der Mindestabstand einzuhalten gewesen wäre (-wir berichteten hier-)

Mögliche Unterschreitung bei Zustimmung von Gemeinden und Ortschaften

Als Kompromiss gefeiert wird auch die mögliche Unterschreitung des 1000m-Mindesabstandes bei Zustimmung der betroffenen Gemeinde(n) und Ortschaft(en). Eine derartige „Rückausnahme“ war noch im Referentenentwurf nicht vorgesehen.

Nach der aktuell vorgesehenen Regelgun soll vom Mindestabstand abgewichen werden können, wenn die Gemeinde(n) und die Ortschaft(en) dem geringeren Abstand zustimmen. Eine Abweichung vom 1.000m-Mindestabstand ist bei Neuvorhaben nur zu Außenbereichsbebauung möglich. Zugunsten von Repowering-Vorhaben nach § 16b BImSchG kann dagegen auch vom 1.000m-Mindestabstand zu Wohngebäuden in faktischen Wohngebieten abgewichen werden. Allerdings immer unter der Prämisse, dass die Gemeinde(n) und Ortschaft(en) einer Abweichung zustimmen.

Übergangsregelung für den 1000m-Mindestabstand

Zu begrüßen ist, dass der Entwurf des § 84 SächsBO in seinem Absatz 3 eine Übergangsregelung enthält. Danach findet der 1000m-Mindestabstand zumindest auf die Vorhaben keine Anwendung, deren Antrag auf Genehmigung bis zum 31.03.2022 vollständig bei der zuständigen Behörde eingegangen ist. Dies sollten Projektierer besonders im Blick haben, auch wenn zu erwarten ist, dass sich die gleichen leidigen Diskussionen über die Antragsvollständigkeit ergeben werden, wie bei der Einführung der 10H-Regelung in Bayern.

Keine Regelung für regionalplanerische Vorranggebiete

Offen lässt der aktuelle Gesetzesentwurf, wie sich der festgelegte Mindestabstand auf die Vorranggebietsausweisung in Regionalplänen auswirken wird, obwohl sich insoweit aus der Landesöffnungsklausel gem. § 249 Abs. 3 S. 3 BauGB ein klarer Regelungsauftrag für den Landesgesetzgeber ergibt. Möglicherweise ist das Kabinett der Meinung, dass dem durch die Möglichkeit der Unterschreitung des 1000m-Mindestabstands bei Zustimmung der betroffenen Gemeinde(n) und Ortschaft(en) Genüge getan ist. Ob man die räumliche Ausnutzbarkeit der durch die Regionalplanung abschließend abgewogenen Vorranggebiete für die Windenergienutzung aber von dem Willen einzelner Gemeinden und Ortschaften abhängig machen darf, ist zumindest zu bezweifeln.

Keine Öffnung, sondern weitere Beschränkung durch den 1000m-Mindestabstand

Zwar bleibt abzuwarten, wie sich die fehlende Regelung des Verhältnisses zwischen 1000m-Mindestabstand und Vorranggebietsausweisung in Regionalplänen letztlich auswirken wird. Entgegen vieler Verlautbarungen in der Presse ist der Entwurf aber in jedem Fall keine Öffnung für den Windenergieausbau. Denn bisher gibt es in Sachsen keine gesetzlichen Mindestabstandsregelungen. Das Gesetz schafft damit in erster Linie weitere Beschränkungen für die Errichtung von Windenergieanlagen. Die zugestandenen Rückausnahmen, namentlich die Möglichkeit mit Zustimmung von Gemeinde(n) und Ortschaft(en) von dem 1000m-Mindestabstand abzuweichen, können da nur ein kleiner Trost sein.

Schleierhaft erscheint, wie Regierungsvertreter gleichwohl zu dem Ergebnis kommen, dass der 1000m-Mindestabstand „Aufwind für die Energiewende“ bedeutet. Schon jetzt ist abzusehen, dass sich die Wunschvorstellung der Landesregierung mit diesem Gesetzesentwurf den Windenergieausbau in Sachsen voranzutreiben, nicht erfüllen wird. Ziel hätte sein müssen, Hemmnisse für den Windenergieausbau abzubauen und Windenergievorhaben durch eine Neuregelung Planungssicherheit und Rückenwind zu verschaffen. Stattdessen legt die Landesregierung einen Gesetzentwurf vor, der den Status des Freistaates als Schlusslicht im Windenergieausbau in Stein meißeln wird.

Nicht nachvollziehbar ist insbesondere, warum sich der Sächsische Gesetzgeber in anderen Bundesländern vorhandene Erfahrungswerte zu Abstandsregelungen nicht zunutze machen möchte.

Rheinland-Pfalz schafft ab, Sachsen führt ein – wie der Sächsische Gesetzgeber den Zeitgeist verfehlt

Der Sächsische Gesetzgeber verfehlt mit der Einführung starrer Abstandsregelungen den Zeitgeist. Während hierzulande der 1.000m-Mindestabstand eingeführt wird, wird in Rheinland-Pfalz die starre Abstandsregelung schon wieder revidiert. Anstelle von 1000m bzw. 1100m soll nach der aktuell in Aufstellung befindlichen 4. Teilfortschreibung des LEP IV bei Neuvorhaben nur noch ein Abstand von 900m zu Siedlungsgebieten einzuhalten sein. Zugunsten von Repowering-Vorhaben kann davon um weitere 20 Prozent abgewichen werden.

Gesetzesnovelle vereitelt Klimaschutzbestrebungen auf Bundesebene

Verfehlt erscheint die Gesetzesnovelle auch angesichts der Klimaschutzbestrebungen auf Bundesebene. So bekräftigt Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck (Bündnis 90/DIE GRÜNEN) weiter das Ziel, bis 2030 mindestens 80 Prozent des Stroms in Deutschland aus erneuerbaren Energien gewinnen zu wollen. Dazu sollen 2 Prozent des Bundesgebietes für den Windenergieausbau zur Verfügung gestellt werden. Diametral dazu steht die Einführung eines 1000m-Mindestabstandes in Sachsen. Denn nach Angaben des Bundesumweltamtes bedeutet die Einführung eines pauschalen 1000m-Mindestabstandes einen Verlust von 20-50 Prozent der potenziellen Flächen für die Windkraft.

Ignoriert Sachsen den klaren Auftrag des Bundesverfassungsgerichts?

Ob das Alles letztlich mit dem vom Bundesverfassungsgericht in seinem Klimaschutzurteil erteilten klaren Auftrag an den Gesetzgeber zusammenpasst, möglichst frühzeitig einen grundrechtsschonenden Klimaschutz einzuleiten, kann nur mit einem großen Fragezeichen versehen werden.