Schleswig-Holstein hat sich vorgenommen, bis zum Jahr 2030 15 Gigawatt Windenergie-Leistung an Land zu errichten und bis 2045 klimaneutral zu sein. Das neu eingerichtete Referat für Windenergie-Planung im Innenministerium des Landes arbeitet an neuen Regionalplänen, die bis 2026 vorliegen sollen. Während der Onshore-Windenergie-Konferenz windWERT wurde vorgestellt, nach welchen Kriterien das Innenministerium dabei vorgeht. Um „Rotor in“ oder „Rotor out“, die mögliche Kombination von Windenergie mit Speichern, Herausforderungen durch lange Lieferzeiten und Hacker-Angriffe sowie Innovationen im technischen Service ging es bei den Präsentationen der Konferenz, zu der sich 130 Branchenvertreterinnen und -vertreter in Kiel trafen. Die windWERT wird jährlich organisiert von der Netzwerkagentur Erneuerbare Energien Schleswig-Holstein.

Rotor in oder Rotor out – dürfen die Flügel der Windenergieanlage über die Grenzen des Windeignungsgebietes hinausragen? Schleswig-Holstein arbeitet mit der Rotor-in-Regelung, machte ein Mitarbeiter des zuständigen Innenministeriums deutlich, auch wenn es einen Ermessensspielraum von einigen Metern gibt. Außerdem hat sich die Landesregierung im Koalitionsvertrag dafür ausgesprochen, die Abstände zur Wohnbebauung nicht zu verringern.

So seien die Klimaziele nicht zu erreichen, hielt Marcus Hrach vom Landesverband Erneuerbare Energien Schleswig-Holstein dagegen:

„Dann brauchen wir 3,8% Windenergie-Vorrangflächen.“

Laut Innenministerium werden rund 3 % der Landesfläche in den neuen Windenergie-Regionalplänen benötigt, um die selbstgesteckten Ziele des Koalitionsvertrages und die Bundesvorgaben zu erreichen.

Der Mitarbeiter des Innenministeriums machte außerdem deutlich, dass die aktuelle Repowering-Regelung aus den Regionalplänen weiter zur Anwendung kommt. Demnach dürfen Windenergie-Anlagen, die außerhalb von Vorrangflächen stehen, nicht an derselben Stelle durch neue ersetzt werden, sondern der Betreiber muss sich einen Standort innerhalb eines extra für Repowering ausgewiesenen Vorranggebietes suchen und für eine neue WEA zwei alte Anlagen abbauen. Dies kritisiert der LEE SH und meint, es stehe im Gegensatz zum neuen Paragrafen 245e im Baugesetzbuch, der Teil des Windenergie-Beschleunigungspakets der Bundesregierung ist.

Marcus Hrach:

„Wir sind in Schleswig-Holstein Spitzenreiter bei den Genehmigungen und beim Aufbau neuer Anlagen – und diesen Spitzenplatz wollen wir halten. Wir werden niemals zu viel Energie aus Erneuerbaren haben.“

Auf die umfangreichen Gesetzespakete zum beschleunigten Ausbau der Erneuerbaren Energien ging auch Dr. Ulf Kämpfer, Oberbürgermeister von Kiel, in seinem Grußwort ein.

„Wir befinden uns in einer Phase großer Plastizität und Veränderungen. Vieles wird einrasten, und wenn wir es richtig angehen, haben wir für die nächsten zehn Jahre stabile Rahmenbedingungen.“

Energie aus Windenergie- und Photovoltaikanlagen ist wetterabhängig, die Verfügbarkeit schwankt stark, entsprechend volatil sind auch die Strompreise. Speicher könnten in Zeiten von viel Wind und Sonne, wenn der Strom billig ist, die Energie aufnehmen. Wenn es dunkel ist, kein Wind weht und die Strompreise entsprechend steigen, könnte man die Energie wieder ausspeichern und verkaufen. Die Arge Netz GmbH & Co.KG entwickelt ein Flexibilitäten-Geschäftsmodell und plant, dafür einen 56-Megawatt-Batteriespeicher zu bauen. Das Unternehmen aus Husum, bei der windWERT vertreten von Hauke Großer, bündelt die Erzeugung von über 420 Betreibergesellschaften mit einer Leistung von 4.500 MW.

Im Gegensatz zu Photovoltaikanlagen können Windparks auch nachts Strom liefern – jedoch nur, wenn sie leise genug sind. Ein Großteil der Anlagen muss aus Lärmschutzgründen nachts leistungsreduziert betrieben werden. Axel Sachse von DNV Energy Systems Germany GmbH stellte „Trailing Edge Serrations“ vor. Die sägezahnförmigen Anbauteile verwirbeln den Luftstrom an der Rotorblatt-Hinterkante so, dass damit die Anlagen um bis zu drei Dezibel leiser gemacht werden können. Dadurch können Anlagen nachts weniger leistungsreduziert betrieben werden. Dies sei außerdem eine Maßnahme zur Netzstabilisierung, erklärte Sachse mit Verweis auf das novellierte Energiesicherungsgesetz. Darüber hinaus könnten die Anlagen, je nach Typ, einen um 3% bis 10% erhöhten nächtlichen Jahresenergieertrag erzielen.

Der Anlagenhersteller Siemens Gamesa will Windenergie mit Wasserstoff-Elektrolyseuren kombinieren. Das Unternehmen entwickelt, wie bei seinen Windenergie-Anlagen, zusätzlich ein komplettes Service- und Wartungs-Paket und einen Algorithmus, der aussteuert, wann der Windstrom ins Netz eingespeist wird und wann er verwendet wird, um Wasserstoff zu erzeugen. Im dänischen Brande ist ein Pilotprojekt seit über einem Jahr in Betrieb, berichtete Michael Neumann, Business Development Director bei Siemens Gamesa.

Gestiegene Rohstoffpreise sind eine weitere Herausforderung für die Windenergie-Branche. Allein die Stahlpreise haben sich seit 2020 verdoppelt. „Früher hat man als Projektierer direkt mit einem Anlagenhersteller verhandelt, hat sich anschließend die Hände geschüttelt und ist zusammen essen gegangen. So einfach geht das nicht mehr“, erklärte Matthias Frauen von Routing Energy. Die Firma wurde als Einkaufsgemeinschaft von drei nordfriesischen Unternehmen gegründet, um die Rahmenverträge und die fortlaufenden Anpassungsverträge zu verhandeln, die inzwischen notwendig seien.

Während die Stahl-Komponenten der Windkraftanlagen wiederverwertet werden können, war dies mit den Rotorblättern bisher nicht möglich. Vestas hat nun zusammen mit anderen Unternehmen ein Verfahren entwickelt, mit dem sich das Epoxidharz von den anderen Komponenten der Flügel trennen und vollständig wiederverwerten lässt. Das Unternehmen will auf diese Weise bis 2040 „Zero waste“, also abfallfrei wirtschaften und entwickle gerade ein Pilotprojekt für eine Kreislaufwirtschaft, berichtete Sara Nassehi Nejad von Vestas Wind Systems A/S aus Kopenhagen. Das Unternehmen werde sein Konzept auch auf der Windmesse HUSUM Wind (12.-15.September) vorstellen.

Die Überprüfung der Rotorblätter auf Risse oder andere Schäden wird bisher vor allem von Sachverständigen mit Kletterseilen erledigt. Finn Rexhausen von der Moeller Operating Engineering GmbH aus Itzehoe stellte den von seinem Unternehmen entwickelten Seilroboter zur Rotorblattbegutachtung vor. Er sei zeitsparend und kostengünstig anzuwenden und benötige keine Ausbildung für die Seilzugangstechnik.

Die Vergütung für Windstrom nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) ist an eine regelmäßige Prüfung der Standortgüte gebunden. Alle fünf Jahre wird sie anhand der Betriebsdaten errechnet. Ist der Standort besser als zuvor errechnet, muss der Betreiber EEG-Vergütung zurückzahlen, ist er schlechter, bekommt er mehr vergütet. Die anemos Gesellschaft für Umweltmeteorologie mbH bietet die Berechnung der Standortgüte als Dienstleistung an. Philine Podein von anemos stellte während der windWERT außerdem die Möglichkeit vor, eine Prognose der Standortgüte zu erstellen, um gegebenenfalls Rücklagen bilden zu können.

Ob eine Windenergieanlage an- und abgeschaltet und wie sie in den Wind gedreht wird, auch der Anstellwinkel der Rotorblätter wird abhängig von den Windverhältnissen gesteuert. Mit innovativen Laser-basierten LiDAR-Windmesssystemen lässt sich der Projektwert geplanter Windkraftanlagen steigern sowie ein möglichst effizienter Betrieb von Windkraftanlagen sicherstellen. Martin Richter-Rose von der Pavana GmbH aus Husum stellte geeignete Messstrategien mittels verschiedener LiDAR-Systeme vor, um Ertragsprognosen sicherer zu machen und den Betrieb von Windkraftanlagen optimieren zu können.

Die Sicherheit der Betriebsdaten war in den vergangenen Jahren, in denen Cyberangriffe auf Firmen und Versorgungsnetzwerke zugenommen haben, auch auf der windWERT ein Thema.

Olaf Classen vom Bundesverband für die Sicherheit kritischer Infrastrukturen (BSKI) wies auf die kommende EU-Richtlinie NIS 2 zur Cybersicherheit hin. Ein umfassendes Datensicherheitskonzept sei aufwändig,

„aber sehen Sie es mal so: Feueralarm trainieren Sie ja auch regelmäßig. Genau so sollten Sie es mit der Cybersicherheit halten, dann haben Sie einen Wettbewerbsvorteil.“

 

Quelle: EE.SH