Rotorblätter sind aufgrund ihrer Größe extremen aerodynamischen und gravitationsbedingten Kräften ausgesetzt. Außerdem werden sie von Umwelteinflüssen, wie Erosion und Blitzschlag, geschädigt. Wegen der hohen Anzahl an Betriebsstunden pro Jahr wirken diese Belastungen über Jahrzehnte hinweg.[1] Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass immer wieder kleine und teilweise auch größere Schäden an den Blättern auftreten. Eine regelmäßige Inspektion des Rotors schützt vor Ertragsausfällen und hohen Reparaturkosten.

Große Schadensereignisse an Rotorblättern führen häufig zur Stilllegung einer Windenergieanlage. Betreiber stehen dann vor der Frage, ob eine Reparatur am Rotor möglich oder ob gar ein Blatttausch nötig ist. In den meisten Fällen können derartige Schäden noch vor Ort am installierten Rotor repariert werden. Dies spart die hohen Kosten für einen entspre-chenden Kran, die Demontage eines Blattes oder ein eventuell sogar nötiges Austauschblatt. Viele Reparaturen können sogar mit besonders wenig Aufwand per Seilzugang durchgeführt werden.

Ist dies nicht möglich, kommen Arbeitsbühnen zum Einsatz. Meist können selbst größte Schäden, welche sich über viele Quadrat­ meter erstrecken und die gesamte Blattschale durchdringen, behoben werden. Es handelt sich beispielsweise um Blitzschäden, welche auch trotz intaktem Schutzsystem auftreten können. Denn Windenergiean­ lagen werden aufgrund ihrer Höhe und der exponierten Standorte relativ häufig von Blitzen getroffen. Laut dem Branchenportal Windbranche ist jedes Windrad in Deutschland durchschnittlich 0,6 bis einmal im Jahr von einem Blitzschlag betroffen. Die Häufigkeit kann allerdings von Standort zu Standort stark schwanken.[2]

Die exponiertesten Bauteile eines Windrades sind die Rotorblätter. 90 Prozent der Blitzschläge betreffen die äußeren drei Meter der Blätter.[3] Wird der Blitz nicht von den in den Blattschalen verbauten Rezeptoren eingefangen oder ist das Blitzschutzsystem beschädigt, so drohen Schäden am Blatt.

Obwohl die meisten Schäden mit überschaubarem Aufwand reparierbar sind, können im Nachhinein weitere Probleme für den Anlagenbetrieb entstehen. Bei der Reparatur wird in der Regel zusätzliche Masse durch Klebstoff oder neue Laminatlagen in das Blatt eingebracht. Besonders wenn dies relativ nah der Blattspitze geschieht, kann sich der Wucht­ zustand des Rotors verändern. Es kommt dann zu Schwingungen, welche den mechanischen Triebstrang und den Turm belasten und auch die Leistung mindern können. Diese Unwuchten sind sehr häufig. Eine Studie stellte 2018 bei 81 Prozent der zufällig überprüften Anlagen Schwingun-gen fest, welche die zulässigen Grenzwerte überschritten.[4]

Reparaturen sind aber nur eine Ursache für Unwuchten des Rotors. Häufig sind die Rotorblätter schon bei Inbetriebnahme unzureichend in der Masseverteilung aufeinander abgestimmt. Ein weiterer Hauptgrund ist, dass die Blattwinkel der drei Blätter nicht synchron eingestellt wurden.

Rotorunwuchten setzen sich meist aus einer Aerodynamik- und einer Massenkomponente zusammen. Aerodynamische Unwuchten werden hauptsächlich durch Blattfehlstellungen, Herstellungsfehler im Blattprofil oder Änderungen des Auftriebsprofils durch Reparaturen verursacht. Dies führt zu einer asymmetrischen Auftriebskraft im Rotor, welche eine zusätzliche Beanspruchung der tragenden Komponenten und des Triebstranges verursacht. Sichtbar wird diese Art der Unwucht vor allem durch Axialschwingungen der Gondel. 

Massenwuchten hingegen werden beispielsweise durch Reparaturen am Rotor verursacht. Durch das Entfernen und Hinzufügen von Masse an der Reparaturstelle wird das Gewicht des Blattes verändert. Je nach Position der Reparaturstelle hat dies einen stärkeren oder schwächeren Einfluss auf die Rotorunwucht. Je weiter außen die Reparatur vorgenommen wird, desto stärker ist der Einfluss. Selbst kleine Reparaturen an der Blattspitze können die Rotorunwucht deutlich beeinflussen. Allerdings können auch werksseitig Massenunwuchten auftreten. Falsch befüllte Wuchtkammern oder Wiegefehler sind zwar weniger häufig der Grund für Unwuchten, können aber nicht ausgeschlossen werden.

Je nach Turmsteifigkeit und Anlagengröße haben Unwuchten unterschiedlich starke Schwingungen der Gondel zur Folge. Teilweise können die Axial­ und Radialschwingungen infolge von Unwuchten schon mit bloßem Auge beobachtet werden. Allerdings übersteigen die Unwuchten dann meist die vorgegebenen Grenzwerte schon um ein Vielfaches. 

Moderne Schwingungsmesstechnik auf Basis von MEMS (Micro­Electro­ Mechanical Systems) kann niederfrequente Schwingungen mit Amplituden von weniger als 1 mm/s² detektieren und analysieren, um eine genaue Bewertung und gezieltes Beseitigen der Unwuchten zu ermöglichen.

Das Auswuchten der Anlage erfolgt in der Regel in mehreren Schritten. Zunächst wird mit einer Urmessung der Grundzustand der Anlage auf­ gezeichnet. Als Nächstes wird mithilfe photometrischer Messungen sichergestellt, dass die Pitchwinkel der Anlage synchron stehen. Oftmals wird hierbei schon eine deutliche Abweichung festgestellt. 

Die darauffolgende Blattwinkelkorrektur mit validierender Schwingungs-messung reduziert die Axialschwingungen der Anlage häufig so stark, dass die aerodynamische Unwucht als beseitigt angesehen werden kann. Sollte dies nicht der Fall sein, kann mithilfe der beiden Messungen mit unterschiedlichen Blattwinkeleinstellungen die axiale Restunwucht bestimmt und über Blattwinkeleinstellungen korrigiert werden.

Nachdem die Anlage aerodynamisch ausgewuchtet wurde, folgt das Mas­ senauswuchten. Hierfür wird eine Test­ masse in eines der Blätter eingebracht und eine weitere Schwingungsmessung durchgeführt. Durch Analyse der Radial­ schwingungen kann nun die Massen-wucht des Rotors bestimmt werden. Mithilfe von Ausgleichsmassen, welche in die Blätter eingeklebt oder ein­ geschraubt werden können, wird die Massenunwucht der Anlage beseitigt.

Zusammenfassung

• Regelmäßige Inspektionen (auch LPS) beugen Ertragsausfällen vor und vermeiden Großreparaturen;
• Große Reparaturen können mit einer guten Planung und dem ent-sprechenden Knowhow auch noch am installierten Rotorblatt durch-geführt werden;
• Die Kosteneinsparungen durch den vermiedenen Kraneinsatz sind erheblich;
• Eine Überprüfung der Rotorunwucht nach umfangreichen Rotorblattreparaturen insbesondere im Blattspitzenbereich ist obligatorisch;
• Mithilfe geeigneter Messtechnik und einem optimierten Workflow können Inspektion, Reparatur und Auswuchtung kombiniert werden.

Quellen:

[1] Danish Wind Industry association: http://drømstørre.dk/wpcontent/wind/miller/windpower%20web/de/tour/econ/oandm.html
[2] „Siemens veröffentlicht Blitzstatistik“, 13.07.2017, veröffentlicht auf https://www.windbranche.de/news/nachrichten/artikel­34078­siemens­verffentlicht­blitzstatistik
[3] Candela Garolera, A., Holbøll, J., & Madsen, S. F. (2014). Lightning protection of flap system for wind turbine blades. DTU Elektro
[4] Windindustrie in Deutschland: https://www.windindustrie­in­deutschland.de/fachartikel/auswuchten­von­wea­rotoren­wirtschaftliche­vorteile­und­technische­umsetzung

Dieser Beitrag erschien erstmalig im BWE BetreiberBrief 2/2023


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